Die Todesspirale bei Romanserien – und wie man sie vermeidet

Bei den meisten Romanserien ist es so, dass alle Bände der Serie denselben Protagonisten haben. Dieser Ansatz hat sowohl Vor- als auch Nachteile.

Die Vorteile scheinen auf den ersten Blick offensichtlich: Der Leser hat eine Identifikationsfigur, die er (hoffentlich) ins Herz schließt und mit der er mitfiebert. Und wenn ihm die Geschichte gefallen hat, wird er es hoffentlich kaum erwarten können, weitere spannende Abenteuer desselben Helden zu erleben.

Doch hier beginnen auch schon die Nachteile, denn das Potential einer solchen Serie ist von Natur aus beschränkt. Romane ziehen einen guten Teil ihres Reizes daraus, dass der Protagonist im Laufe der Handlung wächst, seine Schwächen überwindet, seine inneren Dämonen und Ängste besiegt und schließlich aufgrund seiner erfolgreichen Transformation den Sieg davonträgt.

Das funktioniert wunderbar bei einem Einzelroman und es funktioniert auch bei einer in sich geschlossenen Romanserie aus mehreren, aufeinander aufbauenden Bänden wie zum Beispiel den Harry-Potter-Büchern von J.K. Rowling.

Auch wenn es sich in diesem Fall um sieben einzelne Romane handelt, von denen jeder sein eigenes Finale hat, werden diese dennoch durch einen übergreifenden Handlungsbogen (Harry Potter muss versuchen, die Rückkehr von Lord Voldemort zu verhindern) zu einer in sich geschlossenen Saga verknüpft.

Das merkt man auch den einzelnen Bänden an, denn obwohl Harry und seine Freunde in jedem der ersten sechs Bände einen wichtigen Teilsieg davontragen, ist dennoch stets klar, dass sie zwar eine Schlacht, aber noch nicht den kompletten Krieg gewonnen haben.

Genauso verteilt sich auch das Wachstum von Harry Potter vom verschüchterten Jungen, der bei seinen Muggel-Verwandten in einem kleinen Verschlag unter der Treppe hausen muss, zum mächtigen und entschlossenen Zauberer, der sich seinem Schicksal stellt, um den dunklen Lord im Kampf Mann gegen Mann ein für allemal zu besiegen, auf sieben Bände.

Trotz der geschickt gewählten Struktur (je Band ein Schuljahr) handelt es sich bei Harry Potter um eine durchgängige Handlung. Bereits im ersten Band ist klar, dass es erst im letzten Band der Serie zur alles entscheidenden letzten Konfrontation zwischen Harry und Lord Voldemort kommen wird.

Die Sache sieht jedoch schon anders aus, wenn es sich um eine Serie weitgehend voneinander unabhängiger Einzelbände handelt, von denen jeder eine in sich abgeschlossene Handlung hat: Der Protagonist gerät in ein Abenteuer, übersteht verschiedene Gefahren und schafft es am Ende, sein Ziel zu erreichen.

Viele Serien unterschiedlicher Genres basieren auf diesem Modell. Nicht nur die ganzen Krimi- und Thrillerserien von Miss Marple über Alex Cross bis hin zu James Bond, sondern auch beispielsweise die zahllosen Fantasy-Abenteuer rund um Conan, den Barbaren, und andere Seriencharaktere.

Schon aufgrund der Natur einer solchen Serie haben wir hier jeweils einen statischen Protagonisten, der sich im Laufe der Serie nicht (oder kaum) weiterentwickelt. Das Problem ist dasselbe wie bei den Superhelden-Comicserien: Nach einer ersten „Genesis“-Geschichte, in der der Protagonist vom Normalsterblichen zum Superhelden mutiert und seine neu erlangten Fähigkeiten sogleich im Kampf gegen einen gefährlichen Gegner erproben muss, bleiben die Fähigkeiten des Superhelden im Laufe der Serie meist konstant. Denn schließlich wäre es nach den ersten paar Bänden kaum noch möglich, den Helden im Kampf gegen immer mächtigere Gegner immer weiter wachsen und stärker werden zu lassen, ohne ihm irgendwann geradezu gottgleiche Kräfte zu verleihen. Selbst wenn der Autor das versuchen würde, könnte sich schon bald kein Leser mehr mit dem Helden identifizieren. Denn beim Lesen identifizieren wir uns nicht mit den Stärken des Protagonisten, sondern in erster Linie mit seinen Schwächen.

Ein statischer Protagonist hat feste Stärken, aber auch feste Schwächen, die er im Laufe der Serie niemals überwinden wird und die für den Leser fest zur Persönlichkeit des Helden dazu gehören. Denken Sie nur an Indiana Jones und seine Angst vor Schlangen.

Solche statischen Helden sind für den Leser eine Konstante. Er weiß, was ihn erwartet – wie bei einem guten Essen, das nur jedes Mal vom Küchenchef etwas anders angerichtet wird. Wir kennen die Zutaten des Rezepts und wissen daher schon, dass es uns schmecken wird.

Wir wissen, dass wir es beim nächsten Bond-Film vermutlich wieder mit einem größenwahnsinnigen Schurken, schönen Frauen, exotischen Handlungsorten und einem souveränen James Bond zu tun bekommen, der sich nicht zuletzt auch auf die technischen Gimmicks aus dem Labor von Q verlassen kann.

Doch dieses Gefühl, zu wissen, was einen erwartet, kann auch zum Nachteil werden. Genau wie Formel-1-Rennen langweilig wurden, als Michael Schumacher nahezu jedes Rennen gewann, und Boxkämpfe ihre Spannung verloren, seit kaum noch ein Gegner sich auch nur über die volle Distanz gegen Klitschko auf den Beinen halten kann, wird es irgendwann langweilig, einen Serien-Veteranen wie Bond oder Conan bei seinem nächsten Abenteuer zu begleiten. Wir wissen, dass unser Held überlebt und am Ende gewinnen wird – egal, wie aussichtslos die Situation auch erscheinen mag. Und wir wissen, dass sich seine Situation durch die Ereignisse des Romans nicht maßgeblich verändern wird, da ähnlich wie bei einer nahtlosen Textur das Ende des aktuellen Bandes stets einen nahtlosen Übergang zum Start des nächsten Buchs bilden muss.

Vielleicht kennen Sie auch noch diese Legespiele für Kinder, bei denen man Bildkarten in beliebiger Reihenfolge legen kann, da die Landschaft im Hintergrund links und rechts immer in derselben Höhe endet. Genau daran erinnern mich manchmal solche episodenhaften Serien: Meist spielt es keine große Rolle, in welcher Reihenfolge man sich die einzelnen Bände zu Gemüte führt. Nicht nur ist jede Handlung in sich abgeschlossen und hat keinen Einfluss auf die nachfolgenden Bände, sondern auch Querverweise zwischen den einzelnen Bänden sind kaum oder gar nicht vorhanden.

Spätestens nach den ersten paar Bänden wird es daher für den Autor auch immer schwieriger, Ideen für weitere Fortsetzungen zu finden, die den Leser immer noch bei der Stange halten können.

Viele Autoren versuchen, dieses Problem durch eine inflationäre Steigerung der Feinde und Hindernisse zu kompensieren. Es steht immer mehr auf dem Spiel – jetzt nicht mehr nur das Leben des Helden oder seiner Familie, sondern das Schicksal einer ganzen Großstadt, eines Landes oder gar der gesamten Menschheit. Die Feinde werden immer größer und mächtiger, die Hindernisse immer unüberwindlicher und die Handlung zugleich immer unrealistischer.

Doch irgendwann ist auch hier das Ende der Fahnenstange erreicht. „Das Schicksal der gesamten Menschheit steht auf dem Spiel!“ ist kaum noch zu toppen – und spätestens wenn der Held zum wiederholten Male zur falschen Zeit am richtigen Ort ist, um im Alleingang die Menschheit zu retten, fällt es auch dem geduldigsten Leser schwer, seinen Unglauben über Bord zu werfen und einfach die adrenalingeladene Action zu genießen.

Ein gutes Beispiel hierfür sind die Romane des australischen Schriftstellers Matthew Reilly. Die bislang fünf Bände (wenn man den Kurzroman „Hell Island“ mitrechnet) seiner Scarecrow-Reihe sind wahre Actiongewitter. Von Band zu Band legt Reilly immer noch eine Schippe Dynamit zu und bei jedem Band fragt man sich als Leser, ob Reilly diese Achterbahnfahrt überhaupt noch toppen kann.

Vermutlich fragt auch Reilly sich das mittlerweile selbst – nicht umsonst versucht er, parallel dazu mit den etwas weniger actionlastigen Captain-Jack-West-Romanen ein zweites Standbein aufzubauen.

Doch wie kann man als Autor diese Spirale stoppen, die auf Dauer nur dazu führen kann, dass man die stetig steigenden Erwartungen seiner Leser nicht mehr erfüllen kann und mit jedem neuen Band zwangsläufig einen Teil seiner treuen Leser verliert?

Eine Möglichkeit besteht natürlich darin, immer nur Einzelromane zu schreiben. Jedesmal ein anderer Protagonist, ein anderes Setting und ein anderer Konflikt, der innerhalb dieses einen Buchs zu einem für den Leser befriedigenden Ende gebracht wird.

Doch damit verschenkt man das Potential einer Serie, die Leser der ersten Bände dazu bringen kann, sich auch noch die Folgebände zu holen, um zu erfahren, wie es weiter geht. Ganz zu schweigen davon, dass die Planung aufwändiger wird, da man nicht mehr auf das Setting bzw. Worldbuilding der bisherigen Bände aufbauen kann, sondern jedes Mal wieder von null startet.

Eine recht elegante Lösung für dieses Dilemma kann darin bestehen, eine Serie mit wechselnden Protagonisten zu planen. Hier ist die Konstante der Serie nicht der Protagonist, sondern das Setting bzw. die alles umspannende Rahmenhandlung.

Stellen Sie sich eine Romanserie vor, die sich während eines jahrzehntelangen Krieges zwischen zwei mächtigen Nationen abspielt. Eine solche Rahmenhandlung bietet Platz für Dutzende von Romanen mit den unterschiedlichsten Protagonisten: Soldaten, Spione, Diplomaten und ganz normale Menschen, deren Leben durch den Krieg ins Chaos gestürzt wurde.

Der Kniff ist, diese Geschichten nicht wie bei einem Mammut-Epos wie George R.R. Martins „Lied von Eis und Feuer“ zu miteinander verflochtenen Handlungssträngen innerhalb eines gewaltigen, mehrbändigen Epos zu machen, sondern in jedem Band eine komplette Geschichte zu erzählen, die den Verlauf des Krieges (also der Rahmenhandlung) verändert.

Es wäre dennoch ein Fehler, die Handlungen der einzelnen Bände völlig voneinander zu trennen. Vielen Lesern dürfte es schwer fallen, sich für einen neuen Roman zu erwärmen, der außer der Rahmenhandlung nichts mehr mit der gerade zu Ende gelesenen Geschichte zu tun hat.

Führen Sie stattdessen in jedem Band den Protagonisten des nächsten Bands bereits als Nebenfigur ein, die im Laufe der Handlung immer mehr an Bedeutung gewinnt und am Ende vielleicht sogar maßgeblich dazu beiträgt, dass Ihr „aktueller“ Protagonist sein Ziel erreicht.

Machen Sie diese Figur geheimnisvoll und interessant. Deuten Sie an, was für ein Potential die Figur hat und welche offenen Rechnungen es in ihrem Leben noch gibt. Wenn Sie dann ein weiteres Abenteuer aus Ihrer Serie mit diesem neuen Protagonisten ankündigen, werden wesentlich mehr Leser bereit sein, auch dem neuen Helden auf seinem Weg zu folgen.

Natürlich müssen Sie Ihren bisherigen Protagonisten nicht nach einem Band „entsorgen“ – aber Sie haben die absolute Freiheit. Ihr Protagonist kann am Ende des Romans sein persönliches Ziel erreichen und „glücklich bis ans Ende seiner Tage“ weiterleben, während der Leser seinem bisherigen Verbündeten zu neuen Ufern folgt – aber er kann auch sterben, indem er sich beispielsweise heldenhaft für das Überleben der Seinen opfert. Solange er am Ende die Fackel an den neuen Protagonisten weitergibt, der den Kampf nach seinem Tod weiterführen wird, werden die meisten Leser ein solches Ende akzeptieren.

Denken Sie beispielsweise an den Klassiker „Einer flog übers Kuckucksnest“: Zwar stirbt Murphy am Ende, doch der „Indianer“ schafft es, aus der Anstalt zu fliehen.

Natürlich können Sie Ihren Protagonisten auch zurückkehren lassen – entweder ein paar Bände später mit einem neuen Abenteuer oder als „Gaststar“ / Helfer in einer anderen Geschichte. Beides wird die Leser der früheren Bände freuen.

Denken Sie beispielsweise an die Scheibenwelt-Romane von Terry Pratchett: Auch hier gibt es Charaktere, die in unterschiedlichen Bänden wiederkehren – mal als Hauptcharakter, mal als Nebenfigur.

Ein positiver Nebeneffekt dieser Serienstruktur ist, dass Sie in den ersten Kapiteln eines neuen Bandes nicht so viel Vorgeschichte einflechten müssen, wie dies bei einer direkten Fortsetzung der Fall wäre, um neu hinzugekommene Leser „auf Stand zu bringen“. Kein langatmiges „Was bisher geschah“, sondern ein frischer Einstieg in ein neues Abenteuer, der auch neuen Lesern den Einstieg in die Serie erleichtert.

Während ein „Was bisher geschah“-Prolog neuen Lesern so viel Informationen über die Handlung der bisherigen Bände liefert, dass sie nur noch einen geringen Anreiz haben, sich diese auch noch zu holen, ist hier das Gegenteil der Fall. Neue und alte Leser starten quasi auf Augenhöhe in das neue Abenteuer – lediglich die Wirkung der Querverweise, die Sie gekonnt in die Handlung einstreuen, ist eine andere. Während der erfahrene Leser, der auch alle früheren Bände der Serie kennt, wissend nickt und sich an das damalige Abenteuer erinnert, wird der neu eingestiegene Leser neugierig gemacht. Das ist der richtige Platz für Fußnoten, mit denen Sie den Querverweis zu dem Band liefern, auf den sich die ansonsten rätselhafte Bemerkung bezieht. Mit etwas Glück macht dies den Neuleser so neugierig, dass er sich auch noch diesen Band bestellt.

Sie sehen: Der Verzicht auf einen festen Protagonisten kann Ihre Romane nicht nur noch spannender und abwechslungsreicher machen, sondern hält auch Ihnen als Autor alle kreativen Möglichkeiten offen.

Probieren Sie es einfach einmal aus – und wenn es vorerst nur als Gedankenspiel ist. Vielleicht stellen Sie dabei ja fest, dass dies auch für Sie der goldene Mittelweg zwischen klassischer Serie und unabhängigen Einzelromanen ist.


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Warum Improvisation beim Schreiben gute Planung erfordert

Immer wieder flammt zwischen Schriftstellern die ewige Diskussion auf, ob nun das Vorplanen oder das Drauflosschreiben der bessere Ansatz ist, um einen guten Roman zu produzieren. Während manche etablierten Bestsellerautoren wie Stephen King oder Lee Child darauf beharren, dass sie niemals einen ihrer Romane vorplanen, stehen auf der anderen Seite hunderte ebenfalls erfolgreicher Autoren, die niemals einen Roman ohne eine ausreichend detaillierte Vorplanung beginnen würden.

Gerade unerfahrenen Autoren erscheint dieser Disput ziemlich paradox: Zwei Gruppen, die auf scheinbar völlig gegensätzliche Ansätze schwören und dennoch beide mit ihren Methoden erfolgreich sind.

Die Wahrheit liegt wie immer irgendwo in der Grauzone zwischen den Extremen. Das kann man besonders gut am Beispiel des Worldbuildings sehen.

Nehmen wir beispielsweise an, Sie wollen einen Fantasy-Roman schreiben. Reine Improvisation wird Sie hier nicht ans Ziel bringen. Wenn Sie Ihre Fantasy-Welt erst nach und nach während des Schreibens aufbauen, sind Inkonsistenzen und Widersprüche vorprogrammiert.

Dazu zählen beispielsweise Dinge, die Sie gegen Ende des Romans als neue Idee einbringen, die aber bei genauer Betrachtung bereits auf den Beginn der Handlung so großen Einfluss gehabt hätten, dass eigentlich die ganze Geschichte völlig anders hätte verlaufen müssen. So etwas bei der Überarbeitung des Romans im Nachhinein glattzuziehen ist eine wahre Sisyphusarbeit, die einem den Spaß am eigenen Roman gründlich austreiben kann.

Wenn Sie also beim Schreiben Ihres Romans improvisieren wollen und Ihre Charaktere die Handlung bestimmen lassen wollen, müssen Sie die Welt schon verdammt gut kennen, in der Sie Ihre Romanfiguren von der Leine lassen wollen. So steckte auch Tolkien zunächst einige Jahre in die Konstruktion der Welt von Mittelerde, bevor er den Hobbit und die Herr-der-Ringe-Trilogie schrieb.

Wenn Sie seit etlichen Jahren in Berlin leben und die Stadt wie Ihre Westentasche kennen, könnten Sie vermutlich einen Roman improvisieren, der in Berlin spielt. Sie wissen, wie Ihr Protagonist am besten vom Flughafen Berlin-Tegel in die Innenstadt kommt oder in welchem China-Restaurant er die geheimnisvolle Unbekannte vom Flughafen wieder treffen könnte.

In diesem Fall sind es Ihre Kenntnisse über den Handlungsort, die Ihnen neue Ideen für die Handlung eingeben. Für einen Roman, der in Ihrer langjährigen Heimat spielt, ist das schön und gut. Aber wenn Ihr Roman in einer fiktiven, fremdartigen Welt spielt, die gerade erst in Ihrem Kopf zu entstehen beginnt, tasten Sie sich hier halbblind durch dichten Nebel – und da gibt es mehr Fallgruben und Stolpersteine, als gut für Sie und Ihren Roman ist.

Sie können also erst einmal ein paar Wochen oder Monate investieren, um eine komplexe, realistisch anmutende Fantasy-Welt mit unterschiedlichen Rassen, Religionen, Sprachen et cetera zu erschaffen. Erst dann, wenn Sie selbst Ihre fiktionale Welt so gut kennen wie Ihre Westentasche, können Sie damit beginnen, in dieser Welt improvisierte und trotzdem schlüssige Romane zu schreiben.

Dieser Ansatz ist gut, wenn Sie vorhaben, in Ihrer fiktiven Welt mehrere Romane oder gar eine ganze Serie anzusiedeln. Doch wenn Sie nur einen einzelnen Roman in dieser Welt schreiben wollen, werden Sie einen großen Teil der Welt, die Sie über Wochen und Monate mühevoll konstruiert haben, niemals verwenden können.

Wenn Sie umgekehrt die Handlung Ihres Romans zuerst planen, reduziert sich der Zeitaufwand für das Worldbuilding extrem. Dann genügt es, die Welt in groben Zügen zu skizzieren und lediglich die Teile und Aspekte genauer ausarbeiten, die Sie für Ihre aktuelle Romanhandlung wirklich brauchen.

Unterm Strich sparen Sie daher, so paradox das auch klingen mag, einiges an Zeit, wenn Sie Ihre Handlung zunächst in groben Zügen planen und sich dann beim Worldbuilding (oder der Recherche) auf die Aspekte konzentrieren, die wirklich für Ihre Romanhandlung von Bedeutung sind.

Wenn Sie beispielsweise bei einem Berlin-Krimi wissen, dass es Ihren Protagonisten niemals an den Flughafen verschlägt, müssen Sie keine Details hierüber recherchieren. Und wenn Sie wissen, dass die Handlung Ihres Fantasy-Romans ausschließlich im Gebirge und im bewaldeten Landesinneren spielt, brauchen Sie sich keine allzu großen Gedanken über die Küstenregionen oder die vorgelagerten Inseln zu machen.

Dass Sie Ihre Handlung grob vorplanen bedeutet natürlich noch lange nicht, dass Sie sich später auch an diesen anfänglichen Plan halten müssen. Da gibt es ein gutes Zitat von Winston Churchill: „Pläne sind unwichtig, aber die Planung ist unverzichtbar.“

Der Planungsprozess zeigt Ihnen, was wichtig ist und was nicht. Er zeigt Ihnen, worauf Sie hauptsächlich Ihr Augenmerk richten sollten. Er hindert Sie jedoch nicht daran, aus gutem Grund und nach gründlichem Abwägen doch noch umzudisponieren und den ursprünglichen Plan über den Haufen zu werfen: Wenn Sie also während des Schreibens Ihres Fantasy-Romans erkennen, dass sich die Handlung entgegen Ihrer ursprünglichen Planung doch in Richtung Küste verlagert, können Sie immer noch ans Reißbrett zurückkehren und auch noch die Küstenregion und den Weg dorthin ausarbeiten, damit Sie auch diese in Ihrem Roman glaubwürdig beschreiben können.


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Warum Sie Ihren Roman mit dem Klappentext beginnen sollten

Wer das Schreiben nicht nur als reines Hobby betrachtet, sondern seine Bucher auch veröffentlichen und vermarkten möchte, weiß, dass das Schreiben eines Buchs nur die halbe Miete ist: Das Buch ist fertig geschrieben, überarbeitet und die Prosa auf Hochglanz poliert – und was nun? Neben dem Buchcover – sozusagen dem Gesicht Ihres Buchs – muss auch noch ein Klappen- bzw. Werbetext her, den man als Buchbeschreibung bei Amazon und anderen Online-Buchhändlern veröffentlichen kann.

Mir ist in diesem Kontext die Bezeichung „Klappentext“ wesentlich sympathischer als „Werbetext“, auch wenn es bei Taschenbüchern und erst recht bei eBooks mangels Schutzumschlags natürlich keinen Klappentext in seiner ursprünglichen Bedeutung mehr gibt. Allerdings muss ich bei „Werbetext“ eher an die Werbung für Waschmittel oder Zahnpasta als an die publikumswirksame Kurzbeschreibung eines Romans denken. Ich bleibe daher bei „Klappentext“ – egal, ob dieser nun auf der Rückseite Ihres Taschenbuchs abgedruckt wird oder als Buchbeschreibung für Ihr eBook fungiert.

Doch unabhängig davon, wie man das Kind nun nennen will – wenn schon das Schreiben einer Synopsis (also der Zusammenfassung der Romanhandlung auf wenigen Seiten) schwierig ist, ist es das Schreiben eines guten Klappentextes umso mehr. Hier bleibt einem nicht viel Platz, um die Neugier des Lesers so weit zu wecken, dass er einen „Blick ins Buch“ wirft (bzw. sich die Leseprobe herunterlädt) oder – noch besser – das Buch direkt kauft.

Wer schon einmal versucht hat, die Handlung eines Romans von 300+ Seiten appetitanregend in wenigen Sätzen zu verpacken, weiß, was für eine Herausforderung dies darstellen kann. Und selbst wenn man es endlich geschafft hat, die Essenz des Buchs zu einem Klappentext von 100-200 Wörtern einzudampfen, liest sich dieser oft so dröge und unoriginell, dass sogar man selbst als Autor sich fragt, worin sich das eigene Buch von den thematisch ähnlichen Büchern anderer Autoren unterscheidet und warum ein Leser sich ausgerechnet für unser Buch entscheiden sollte.

Wenn auch Ihnen diese Problematik nur allzu bekannt vorkommt, würde ich Ihnen für Ihr nächstes Projekt einen anderen Ansatz empfehlen. Zäumen Sie das Pferd scheinbar von hinten auf: Beginnen Sie die Entstehung Ihres nächsten Buchs mit einem zugkräftigen (Arbeits-)Titel, eventuell einem Mockup-Cover … und dem Klappentext.

Auf den ersten Blick mag einem dieser Ansatz unsinnig erscheinen: Wie soll man ein Buch zusammenfassen, das es noch gar nicht gibt? Doch in der Praxis ist es so herum wesentlich einfacher. Genau wie Sie beim Design eines Buchcovers bereits darauf achten sollten, wie dieses später als briefmarkengroße Miniatur-Abbildung in den Suchergebnissen von Amazon & Co aussieht, können Sie die Miniaturansicht Ihrer Handlung umso besser entwerfen, solange Ihre Sicht auf das Wesentliche (sozusagen das Skelett Ihres Romans) nicht durch zu viele Details verstellt wird.

Sobald sich also während der Planung Ihres Romans die grobe Handlung herauszukristallisieren beginnt, schreiben Sie zunächst die Rohfassung Ihres Klappentextes.

Warum das? Ganz einfach: Wenn Ihr Klappentext so gut ist, dass sogar Sie selbst als Autor das Buch allein aufgrund dieser Beschreibung spontan kaufen würden, haben Sie ein Ziel, auf das Sie hinschreiben können – sozusagen das Leuchtfeuer am Horizont. Egal, was sich an Ihrer Handlung bei der Planung und später während des Schreibens im Detail noch ändern mag – die Eckpunkte, die Sie in Ihrem Klappentext „festgenagelt“ haben, sind gesetzt.

Beim Schreiben Ihres Klappentextes sollten Sie nicht kleckern, sondern klotzen. Der Klappentext ist der Haken, den Sie auswerfen – und schließlich wollen Sie, dass die Leser anbeißen. Je besser Sie Ihre Zielgruppe und Ihre „idealen Leser“ kennen, desto leichter dürfte es Ihnen fallen, jene Punkte aufzulisten, die Ihre Leser an anderen Bestsellern Ihres Genres so lieben.

Damit meine ich natürlich nicht, dass Sie Ihre Handlung verbiegen sollten, um nur ja möglichst marktgerecht zu schreiben. Dennoch sollten Sie überlegen, welche dieser „Zutaten“ Sie verwenden könnten, um Ihre Romanhandlung aufzupeppen und noch interessanter zu gestalten – oder welche bereits vorhandenen / angedachten Punkte Sie beim Schreiben Ihres Klappentextes werbewirksam in den Vordergrund rücken sollten.

Sie werden feststellen, dass es wesentlich einfacher ist, das Buch so zu schreiben, dass es dem packenden Klappentext gerecht wird, als im Nachhinein die Essenz des Buchs in einem Klappentext einzufangen. Es wird beim Schreiben immer wieder Situationen geben, in denen Sie Entscheidungen über den weiteren Verlauf der Handlung treffen müssen. Ihr Klappentext kann dann als Orientierungshilfe dafür sorgen, dass Sie nicht die falschen Entscheidungen treffen und so womöglich auf halbem Weg auf den Holzweg geraten.

Auch wenn die „Zutaten“ für einen guten Klappentext fast immer dieselben sind, ist die Gewichtung dieser Zutaten je nach Genre sehr unterschiedlich. Statt zu versuchen, eine „Passt-auf-alles-Formel“ zu finden, sollten Sie sich beim Schreiben Ihres Klappentextes lieber an den Klappentexten bereits erfolgreicher Romane Ihres Genres orientieren.

Damit meine ich natürlich nicht, dass Sie von diesen abkupfern sollten, sondern, dass Sie diese ganz gezielt analysieren und versuchen, daraus eine Formel mit Platzhaltern abzuleiten, in die Sie dann Ihre eigenen Zutaten einsetzen können. Wohlgemerkt „eine Formel“, nicht „die Formel“ – denn trotz aller Ähnlichkeiten werden die Klappentexte, die Sie studieren, dennoch so unterschiedlich sein, dass Sie lediglich eine grobe Faustformel ermitteln können.

Das ist ein wenig wie der Versuch, Tiere zu klassifizieren. Wenn „Tier“ ein so allgemeiner Oberbegriff wie „Roman“ ist, sind Sie beim Genre bereits bei Klassifizierungen wie „Vogel“, „Katze“ oder „Fisch“. Und genau wie Sie so ziemlich jeden Vogel mit einer allgemeinen Beschreibung wie „zwei Beine, zwei Flügel, ein Schnabel und Federn“ von einer Katze oder einem Fisch abgrenzen können, werden Sie auch bei den erfolgreichen Klappentexten Ihres Genres bestimmte Gesetzmäßigkeiten erkennen. Welche Details des Settings werden erwähnt? Welche Figuren des Romans werden im Klappentext erwähnt und mit welchen Attributen werden sie beschrieben? Was erfährt der Leser über den zentralen Konflikt des Romans und über das, was auf dem Spiel steht?

Wenn Sie eine solche Analyse für ein gutes Dutzend Bestseller Ihres eigenen Genres durchgeführt haben, haben Sie meist schon ein recht gutes Gefühl dafür, welche Elemente ein Klappentext in welchem Mischungsverhältnis enthalten sollte und wie man diese dem Leser appetitanregend präsentieren kann.

Als kleine Checkliste liste ich Ihnen nochmal die wichtigsten „Zutaten“ für einen Klappentext auf: Sie brauchen…

  • Ihren Protagonisten (also den Helden / die Heldin Ihres Romans),
  • Ihren Antagonisten (also den Gegenspieler bzw. Widersacher),
  • das Setting (Wo und wann spielt Ihr Roman?)
  • den Auslöser der Handlung (Welches Ereignis setzt die Dinge in Bewegung?),
  • das Ziel Ihres Protagonisten (Wie will er das Problem lösen?),
  • das größtes Hindernis (Warum ist das nicht so einfach?) und
  • die negativen Konsequenzen, die drohen, wenn er sein Ziel nicht erreicht.

Bonuspunkte gibt es, wenn Sie zusätzlich noch eine überraschende Wendung einbringen können (die im Klappentext natürlich nur angedeutet wird).

Wenn Sie beim Notieren dieser Punkte bereits ins Stocken geraten, macht das überhaupt nichts. Es ist im Gegenteil sogar gut, da Sie bereits in dieser sehr frühen Phase auf die noch vorhandenen Lücken stoßen und nicht erst hundert Seiten tief in der Handlung feststellen, dass Sie sich in eine Sackgasse geschrieben haben oder dass Ihrem zentralen Konflikt auf halbem Wege der Dampf ausgeht.

Sobald Sie alles zusammen haben, wenden Sie Ihre Erkenntnisse aus der Klappentext-Analyse an und basteln aus Ihren Zutaten einen packenden Klappentext nach bewährtem Muster. Nehmen Sie sich dafür genügend Zeit und übereilen Sie nichts. Es macht nichts, wenn Sie ein paar Wochen an diesem Text feilen, bis Sie selbst vom Ergebnis begeistert sind und beim Lesen Ihres eigenen Klappentextes kaum abwarten können, das fertige Buch in den Händen zu halten.

Dann erst beginnen Sie damit, die Handlung genauer zu planen und so die Basis für einen Roman zu schaffen, der nicht nur die Versprechungen Ihres Klappentextes erfüllt, sondern sogar noch eine ganze Schippe drauf legt.

Diese Methode eignet sich übrigens nicht nur für „Planer“, sondern auch für „Discovery Writer“, die sich beim Schreiben ihres Romans ihres Romans selbst davon überraschen lassen, in welche Richtung sich die Handlung entwickelt und wie alles enden wird. Im Gegensatz zu einer Synopsis, die die komplette Handlung bis zum großen Finale beinhaltet, baut der Klappentext nur auf der Ausgangssituation und dem zentralen Konflikt aus, ohne zu viel über die Details der Handlung oder gar das Ende zu verraten. Damit bewahren Sie sich beim Schreiben die Flexibilität, die Ihnen so wichtig ist.

Probieren Sie es einfach mal für Ihr nächstes Buchprojekt aus. Ich würde vermuten, dass das Ergebnis Sie überzeugen wird.


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Weniger ist mehr: Wie ein Wochenfokus Ihre Produktivität beim Schreiben steigert

Ein großes Paradoxon der Produktivität beim Schreiben ist, dass man umso weniger geschafft bekommt, je mehr man sich vornimmt. „Mehr“ ist in diesem Fall nicht vom Pensum her zu sehen, sondern von der Anzahl unterschiedlicher Dinge.

Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber ich neige immer dazu, mir viel zu viel vorzunehmen. Es gibt so viele Projekte, die man gerne umsetzen möchte. Das reicht von kleine Dingen wie einem Blogpost oder einem Artikel für den WritersWorkshop Autorennewsletter über mittelgroße wie eine Kurzgeschichte bis hin zu richtig großen Projekten wie einem Sachbuch oder einem Roman. So viele verlockende Ideen, dass man sich gar nicht entscheiden kann (und auch nicht entscheiden möchte), was davon man tatsächlich in Angriff nehmen und was man doch besser auf später verschieben sollte.

Und dann sind da natürlich noch die Dinge, die einfach gemacht werden müssen, obwohl sie einem wesentlich weniger Spaß als das eigentliche Schreiben machen. Änderungen an der Homepage oder dem Blog, Buchcover entwerfen und natürlich diverse Marketing-Aktivitäten. Schließlich ist Schreiben zwar schön, aber ohne Marketing verkaufen sich auch die besten Bücher nicht.

Also nimmt man sich von den lästigen Aufgaben nicht zu viele vor und verteilt den Rest der zur Verfügung stehenden Schreibzeit auf zwei bis drei Projekte, die momentan besonders hoch in der eigenen Gunst stehen. Vielleicht ein neuer Blogpost, ein paar Seiten für das neue Sachbuch und ein wenig für die nächste Kurzgeschichte planen. Ein so zusammengestellter Wochenplan hat ein bisschen was von einem Abendessen am Büffet: von allem etwas, damit man nicht das Gefühl hat, auf etwas verzichten zu müssen.

Doch genau wie beim Büffet nicht alles zusammen passt und manche verwegene Kombination am nächsten Morgen für Magendrücken sorgt, kann einem auch ein solcher Wochenplan schwer wie ein Backstein im Magen liegen.

Je mehr unterschiedliche Dinge man sich für die Woche vorgenommen hat, desto mehr bremst man sich selbst aus. Wenn man sich morgens ans Schreiben setzt, steht man vor der leidigen Entscheidung, womit man denn nun anfangen soll. Erst mal der Blogpost? Aber eigentlich hätte ich viel mehr Lust, an der Kurzgeschichte zu arbeiten. Nach ein paar halbherzigen Versuchen, einen guten Blogpost aus dem Boden zu stampfen, gibt man der Versuchung nach und widmet sich der Kurzgeschichte. Doch irgendwie wollen einem die Ideen nicht richtig kommen. Vielleicht liegt es an der rasch näher rückenden Deadline für das Sachbuch? Also wird die Kurzgeschichte beiseite gelegt und man macht sich ans Sachbuch, während im Hintergrund der Blogpost und die Kurzgeschichte ungeduldig mit den Füßen scharren und auf ihre Chance warten. Ganz zu schweigen von den lästigen Marketing-Aufgaben, vor denen man sich bisher auch gedrückt hat.

Und ehe man sich versieht, ist die Zeit, die man sich mühsam zum Schreiben freigeschaufelt hatte, fast um und man muss ernüchtert, frustriert und schlecht gelaunt erkennen, dass man nichts Greifbares als Gegenwert für die verlorene Zeit vorzuweisen hat – nur geistiges Chaos. Die Erkenntnis, dass die Zeit verstrichen ist und man keinen Schritt weiter als vorher ist, frustriert einen und sorgt für Stress und Kopfschmerzen. Die Laune sinkt in den Keller – und, glauben Sie mir: das ist nicht die beste Ausgangssituation für den nächsten Tag.

Rezeptfreies Gegenmittel: der Wochenfokus

Ganz anders sieht die Sache aus, wenn Sie sich für jede Woche einen Schwerpunkt vornehmen: einen Wochenfokus. Eine Sache, um die Sie sich in dieser Woche mit Vorrang kümmern. Ein Ziel, auf das Sie sich konzentrieren und bei dem Sie in dieser Woche so weit wie möglich voran kommen wollen.

Diese Konzentration auf ein einziges Ziel wirkt auf den ersten Blick wie ein schmerzlicher Verzicht auf all die anderen Dinge, die man gerne machen würde, doch manchmal ist weniger tatsächlich mehr – und dies ist einer dieser Fälle.

Um sich für den richtigen Wochenfokus zu entscheiden, überlegen Sie, welches Ihrer möglichen Projekte zuerst fällig ist. Wenn Sie beispielsweise bis Samstag Ihren nächsten Blogpost online haben müssen, die Deadline für Ihr Buch hingegen noch ein paar Monate entfernt ist, ist der perfekte Wochenfokus Ihr Blog.

Sie könnten jetzt natürlich den Fokus auf Ihr Blog legen, bis Sie Ihren nächsten Blogpost geschrieben, überarbeitet und vorterminiert haben, und anschließend den Rest der Woche an Ihrem Roman oder Sachbuch arbeiten. Doch dann haben Sie in der nächsten Woche wieder dasselbe Problem.

Solange Sie also in dieser Woche nicht zwingend noch etwas anderes erledigen müssen, sollten Sie lieber die gesamte Woche dafür einplanen, sich einen Puffer von Blogposts für die nächsten Wochen aufzubauen. Nutzen Sie diese Woche, um möglichst viele Ideen für weitere Blogposts zu sammeln und zumindest eine Handvoll Blogposts fertigzustellen und vorzuterminieren. Das verschafft Ihnen ein paar Wochen Luft, in denen Sie sich um Ihre anderen Projekte kümmern können, ohne einen Gedanken an Ihr Blog verschwenden zu müssen.

Wochenplanung mit dem Wochenfokus

Wenn Sie Ihre nächste Woche planen, sollten Sie nicht nur Ihren Wochenfokus festlegen, sondern auch dieses Projekt wie ein Uhrwerk in seine „beweglichen Teile“ zerlegen. Was könnten Sie in der nächsten Woche alles machen, um dieses Projekt voran zu treiben oder es womöglich sogar schon zum Abschluss zu bringen? Schreiben Sie alles auf, was Ihnen in diesem Zusammenhang in den Sinn kommt.

Im nächsten Schritt markieren Sie die Punkte, die Sie jetzt bereits in Angriff nehmen können und die, wenn Sie diese abhaken können, Ihr Projekt am meisten voran bringen. Im obigen Beispiel mit dem Blog wäre das natürlich alles, was mit Ihrem Blogpost für diese Woche zu tun hat. Egal wie viele tolle Ideen für weitere Blogposts Sie sammeln – das alles ist nichts wert, wenn Sie nicht bis Samstag einen kompletten Blogpost geschrieben und veröffentlicht haben.

Gerade bei großen und komplexen Projekten wie einem ganzen Roman oder Sachbuch haben Sie durch die unterschiedlichen „beweglichen Teile“ Ihres Projekts die Möglichkeit, unterschiedliche Zeiten und Gelegenheiten optimal für Ihr Fokus-Projekt zu nutzen. So kann es sein, dass Sie abends zwar zu müde sind, um noch an der Rohfassung Ihres Buchs weiter zu schreiben, aber durchaus noch Lust haben, am Buchcover zu basteln, den Klappen- bzw. Werbetext vorzubereiten oder noch ein paar fehlende Informationen im Internet zu recherchieren.

Warum ist der Wochenfokus so effektiv?

Die Effektivität der Wochenfokus-Technik kommt daher, dass Sie erstens keine Zeit mit Entscheidungen vergeuden, woran Sie heute und jetzt arbeiten sollten, und zweitens die Anlaufzeiten minimieren. Jedes Mal, wenn Sie auf ein anderes Projekt wechseln, verlieren Sie Zeit, um sich wieder so tief in das Projekt einzuarbeiten, wie Sie vorher „drin“ waren. Eine Viertelstunde ist das Mindeste, was Sie bei jedem Wechsel zwischen Projekten verlieren – oft ist es sogar deutlich mehr. Auf eine Woche hochgerechnet verlieren Sie so schnell mehrere Stunden wertvolle Schreibzeit.

Sie können das ein wenig mit dem Versuch vergleichen, fünf Autos von der Startlinie zum zwei Kilometer entfernten Ziel zu fahren. Ständig zwischen mehreren Projekten hin und her zu springen ist wie, in einen Wagen zu steigen, Gas zu geben, hundert Meter zu fahren, anzuhalten, auszusteigen, zur Startlinie zurück zu gehen, in den nächsten Wagen zu steigen und auch diesen hundert Meter weit zu fahren, bevor man wieder anhält und in einen anderen Wagen steigt.

Raten Sie mal, wie lange dieser Fahrer braucht, bis er alle fünf Wagen im Ziel hat – verglichen mit seinem Konkurrenten, der in einen Wagen steigt und diesen mit Vollgas bis zum Ziel fährt, bevor er zur Startlinie zurück läuft und sich den nächsten Wagen schnappt.

Fokus ohne Reue

Denken Sie daran: die Entscheidung gilt nur für eine einzige Woche. Am Ende der Woche können Sie für die nächste Woche eine neue Entscheidung treffen. Wollen Sie die in den letzten Tagen aufgebaute Eigendynamik beibehalten und mit Vollgas am selben Projekt weiter arbeiten, oder jetzt erst mal auf ein anderes Projekt wechseln?

In den ersten Wochen werden Sie sich vielleicht nervös und angespannt fühlen und das Gefühl haben, etwas Wichtiges zu verpassen. Doch bereits nach wenigen fokussierten Wochen werden Sie merken, dass Ihre Produktivität enorm zugenommen hat und dass Sie kein schlechtes Gefühl mehr dabei haben, alle anderen Projekte zumindest für eine Woche auf Eis zu legen.

Glauben Sie mir: ich spreche aus eigener Erfahrung und würde auf das Setzen eines „Wochenfokus“ nicht mehr verzichten wollen. Es beruhigt, vermeidet Stress und sorgt zugleich dafür, dass man besser voran kommt, als man es früher für möglich gehalten hätte.

Der Wochenfokus ist (natürlich auf einem größeren Maßstab) dasselbe wie der Verzicht auf das fälschlicherweise so oft glorifizierte Multitasking, das, wie Untersuchungen erwiesen haben, unsere geistige Leistungsfähigkeit noch mehr herabsetzt als das Rauchen von Haschisch. Setzen Sie auf stressfreie, fokussierte Produktivität – einerseits mit dem klassischen „Singletasking“, bei dem Sie sich zu jedem Zeitpunkt nur auf eine Aufgabe konzentrieren, und andererseits mit dem „Wochenfokus“.

Ein As im Ärmel: das „Priorität B“-Projekt

Natürlich ist es in der Praxis leider nicht immer möglich, sich eine komplette Woche lang ausschließlich auf ein einziges Projekt zu konzentrieren. Generell kann man dabei drei unterschiedliche Fälle unterscheiden:

  1. Das Wochenfokus-Projekt ist entweder so klein oder bereits so weit fortgeschritten, dass man es im Laufe der Woche komplett abschließen kann. Da man den Rest der Woche natürlich nicht einfach ungenutzt verstreichen lassen will, braucht man ein „Priorität B“-Projekt, das nach dem Abschluss des Wochenfokus-Projekts für den Rest der Woche nachrückt.
    Historisches Beispiel: Der Schriftsteller Anthony Trollope (einer der produktivsten Autoren der Geschichte) war dafür bekannt, dass er, sobald er das Wort „ENDE“ unter die letzte Seite seines aktuellen Romans geschrieben hatte, direkt ein neues Blatt in seine Schreibmaschine spannte und, ohne eine Pause zu machen, direkt mit dem ersten Kapitel des nächsten Romans begann.
  2. Man steht zeitlich so mit dem Rücken zur Wand, dass man in der laufenden Woche bei zwei Projekten zumindest einen wichtigen Meilenstein erreichen muss. In diesem Fall sollte man abwägen, bei welchem der beiden Projekte man den Meilenstein am schnellsten erreichen kann. Dieses Projekt nimmt man zuerst in Angriff und wechselt, sobald man den Meilenstein erreicht hat, für den Rest der Woche auf das andere Projekt.
    Das möglichst schnelle Abhaken des ersten Meilensteins nimmt den Druck aus der Woche und sorgt dafür, dass man sich den Rest der Woche ausschließlich auf das zweite Projekt konzentrieren kann.
  3. Je nachdem, in welcher Phase sich ein Projekt befindet und wie viele (oder eher: wie wenige) „bewegliche Teile“ das Projekt momentan hat, kann man nicht unbedingt jede sich auftuende Zeitlücke produktiv für dieses Projekt nutzen. Für die Gelegenheiten, bei denen Sie absolut nichts (oder zumindest nichts Sinnvolles) an Ihrem Wochenfokus-Projekt arbeiten können, sollten Sie ebenfalls ein „Priorität B“-Projekt in der Hinterhand halten, auf das Sie dann umschwenken können. Natürlich versteht es sich von selbst, dass Sie direkt wieder zu Ihrem Wochenfokus-Projekt zurück wechseln, sobald sich wieder die Gelegenheit bietet, daran aktiv weiter zu arbeiten.

Probieren Sie es einfach mal ein paar Wochen lang aus. Es würde mich sehr wundern, wenn Sie anschließend wieder zum munteren Hin- und Herspringen zwischen mehreren Projekten zurückkehren würden.


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Thought Plan: praktisches Online-Planungstool für Schriftsteller

Vor einigen Wochen bin ich über Twitter auf ThoughtPlan gestoßen, ein praktisches neues Online-Planungstool vom deutschen Entwickler Maximilian Schmitt, das gerade für Schriftsteller sehr empfehlenswert ist.

Dass es sich bei ThoughtPlan um eine deutsche Entwicklung handelt, sieht man dem Programm und der Webseite nicht auf Anhieb an, da alles komplett in Englisch gehalten ist. Aber da der Textanteil der Benutzeroberfläche nur minimal ist, kann man hiermit gut leben.

Wenn man die programmspezifischen Begriffe wie ThoughtPlan (also der „Gedankenplan“) und die darin enthaltenen „Gedanken“ einmal außen vor lässt, handelt es sich bei ThoughtPlan schlicht und einfach um einen webbasierten Outliner mit Markdown-Funktionalität.

Jeder „Gedankenplan“ ist nichts anderes als ein Ordner, den man für ein bestimmtes Projekt anlegt. Innerhalb dieses Ordners kann man dann beliebig viele „Gedanken“ (also einzelne Texte) anlegen, die man jederzeit per Drag&Drop umsortieren und in die optimale Reihenfolge bringen kann.

Die Benutzeroberfläche ist dabei angenehm minimalistisch und erinnert positiv an Zenware-Schreibprogramme wie WriteMonkey, mit dem ThoughtPlan übrigens wunderbar zusammenarbeitet – aber dazu später mehr…

Wie anfangs erwähnt ist ThoughtPlan gerade für Schriftsteller ein sehr nützliches Tool: Man hat immer etwas in Planung, für das man Ideen sammelt. Das kann ein Roman, eine Kurzgeschichte, ein Blogpost, Notizen für das Redesign der eigenen Autorenhomepage oder ein Marketingplan für das eigene Buch sein.

Mit ThoughtPlan können Sie für jedes dieser Projekte einen eigenen ThoughtPlan anlegen und zu jedem dieser Projekte Ihre Gedanken und Ideen erfassen.

Der große Vorteil von ThoughtPlan ist, dass es als webbasierter Dienst von jedem Internet-Rechner aus verfügbar ist. Sie können also an Ihrem heimischen Desktop-PC, am Laptop oder auch in der Mittagspause im Büro an Ihren Projekten weiterarbeiten, ohne die Daten zwischen den einzelnen Rechnern synchronisieren zu müssen.

Die Bedienung von ThoughtPlan ist zugleich einfach und komfortabel. Wenn man sich anmeldet, ist man zunächst in der Übersicht aller bereits angelegten ThoughtPlans. Per Klick kann man von hier aus einen bestehenden ThoughtPlan aufrufen oder mit dem blauen Button „New ThoughtPlan“ einen neuen Plan anlegen.

Screenshot ThoughtPlan

Jeder ThoughtPlan besteht aus einer beliebigen Anzahl von Textdokumenten.

Screenshot ThoughtPlanNeben jedem Dokument finden sich zwei Symbole: Die Mülltonne dient zum Löschen nicht mehr benötigter / zwischenzeitlich verworfener Ideen. Mit dem Streifensymbol rechts daneben kann man einen Gedanken per Drag & Drop an eine andere Stelle innerhalb des Plans ziehen und seine Gedanken so mit wenigen Mausklicks neu sortieren.

Um eine neue Idee zu erfassen, klickt man einfach in das Feld „New Thought“, gibt den Titel der Idee ein und bestätigt mit Enter.

Screenshot ThoughtPlan

Um einen Text zur Idee zu hinterlegen, wechselt man per Doppelklick auf den Text in die Editoransicht. Hier kann man nun beliebig lange Texte im Markdown-Format hinterlegen.

Über das blaue Stift-/Augensymbol rechts oberhalb des Textes kann man jederzeit zwischen der Editor-Sicht (Stift) und der Markdown-Vorschau (Auge) umschalten, so dass man jederzeit überprüfen kann, wie der fertige Text aussehen wird. Alternativ kann man auch durch Drücken der Escape-Taste aus der Bearbeitung in die Vorschau wechseln.

Das Markdown-Format

Der große Vorteil von ThoughtPlan ist, dass man hier seine Notizen im Markdown-Format hinterlegen kann – dasselbe Format zur Formatierung von Texten, das auch vom Zenware-Schreibprogramm WriteMonkey verwendet wird.

Das komplette Markdown-Format hier zu erläutern, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, zumal es hierzu bereits zahlreiche gute Artikel im Internet gibt. Meine Empfehlung für alle, die sich für das Markdown-Format interessieren, ist der Artikel unter http://www.designbits.de/artikel/text/markdown-eine-kleine-einfuehrung/.

Die Kombination aus ThoughtPlan und WriteMonkey eröffnet einem ganz neue Möglichkeiten: So kann man die Struktur eines Textes erst in ThoughtPlan vorbereiten und dann den Text in WriteMonkey weiter bearbeiten.

Dazu bietet ThoughtPlan die Möglichkeit, einen kompletten ThoughtPlan als ZIP-Datei zu exportieren. Diese ZIP-Datei enthält alle Gedanken eines ThoughtPlans als separate MD-Dateien (Markdown). Die ZIP-Datei kann man dann in ein beliebiges Arbeitsverzeichnis entpacken und die einzelnen Texte mit WriteMonkey weiter bearbeiten.

Um sich die Arbeit zu erleichtern, kann man in Windows den Dateityp .MD standardmäßig WriteMonkey zuordnen, so dass die Texte per Doppelklick ohne Nachfrage direkt mit WriteMonkey geöffnet werden können.

Was kostet ThoughtPlan?

Bisher ist die Registrierung und die Benutzung von ThoughtPlan komplett kostenlos – und das soll nach Aussage des Entwicklers Maximilian Schmitt auch so bleiben.

Möglich wäre lediglich, dass es in Zukunft irgendwann nach dem Freemium-Konzept eine kostenlose Basisversion und eine Bezahlversion mit zusätzlichen Möglichkeiten wie Online-Kooperation (gemeinsames Arbeiten an ThoughtPlans) geben wird. Aber der grundlegende Funktionsumfang von ThoughtPlan, den ich Ihnen hier vorgestellt habe, soll auch in Zukunft kostenlos bleiben.

Fazit:

ThoughtPlan ist ein nützliches Online-Tool, das ich jedem Schriftsteller und Blogger uneingeschränkt empfehlen kann. Gerade wenn man ohnehin in WriteMonkey oder einem anderen Schreibprogramm mit dem Markdown-Format arbeitet, lässt sich ThoughtPlan wunderbar in den eigenen Workflow einbinden.

Ich selbst benutze ThoughtPlan beispielsweise, um Blogposts, Artikel für den WritersWorkshop Autorennewsletter oder neue Buchprojekte zu planen.

Äußerst positiv finde ich auch das Userforum unter http://thoughtplan.uservoice.com, in dem jeder Benutzer von ThoughtPlan neue Feature-Wünsche und Verbesserungsvorschläge einreichen und sich an der Diskussion über bereits vorgeschlagene Features beteiligen kann.

Je mehr User sich für ein bestimmtes neues Feature erwärmen können (und dafür abstimmen), desto weiter rückt dieses in der Liste nach oben und desto wahrscheinlicher ist es, dass es in einer zukünftigen Version von ThoughtPlan umgesetzt werden wird.

Unter https://thoughtplan.com können Sie sich für einen kostenlosen Account registrieren. Probieren Sie es einfach einmal aus. Vielleicht finden Sie es genauso praktisch wie ich.


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Jahresplanung gegen Katzenjammer

Zu dem Zeitpunkt, als ich diesen Artikel schreibe, hat vor wenigen Tagen das neue Jahr angefangen – traditionell die Zeit, zu der die an Silvester gefassten guten Vorsätze noch frisch sind und man hofft, dass man in diesem Jahr endlich mal zu allem kommt, was man sich vorgenommen hat.

Schließlich hat man doch ein ganzes Jahr Zeit, um die ganzen tollen Schreibideen umzusetzen: 52 Wochen mit allein 104 Wochenend-Tagen, je nach Bundesland runden 10 Feiertagen und dann auch noch 30 Tagen Urlaub. Wenn das kein Grund für Optimismus ist – was dann?

Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht – aber wenn ich zum Jahreswechsel überlege, welche Buch- und Schreib-Projekte ich im nächsten Jahr in Angriff nehmen könnte, gehen zumindest im ersten Moment vor lauter Enthusiasmus ein wenig die Pferde mit mir durch. Ehe man sich versieht hat man gedanklich das kommende Jahr nicht nur einmal, sondern gleich doppelt und dreifach verplant. Oder um es mit einem Buffet zu vergleichen: die Augen sind größer als der Magen und am Ende hat man sich den Teller wieder mal viel zu voll geladen.

Wenn man es bei einer solchen übertrieben optimistischen (und damit unrealistischen) Wird-Schon-Klappen-Jahresplanung belässt, sind Ernüchterung und Frustration geradezu vorprogrammiert. Der Katzenjammer folgt spätestens nach den ersten paar Monaten, wenn man merkt, dass man sogar jetzt schon gnadenlos hinter Plan liegt.

Die Ursache für solche Planungsfehler ist in fast allen Fällen eine Kombination aus zwei Fehleinschätzungen, die auf sehr unangenehme Art und Weise Hand in Hand arbeiten:

  1. Man schätzt die Zeit, die einem zum Schreiben zur Verfügung steht, grundsätzlich zu hoch ein.
  2. Man schätzt den Zeitaufwand für Schreibprojekte grundsätzlich zu niedrig ein.

Gegen beide Fehleinschätzungen hilft ein Autorenlogbuch: Schreiben Sie regelmäßig auf, von wann bis wann Sie an welchem Schreibprojekt gearbeitet haben. Das kann eine einfache Tabelle sein, die man entweder handschriftlich, am PC oder im Smartphone führt:

  • Datum
  • von
  • bis
  • Dauer (in Stunden)
  • Projekt
  • Bemerkungen

Beispiel: Sa 20.12 | 6:30 – 8:15 | 1,75 Std | WritersWorkshop E-Zine | Artikel Protagonisten

Anhand dieser Aufzeichnungen können Sie schon nach ein paar Wochen eine recht realistische Aussage darüber treffen, wie viel Sie durchschnittlich im Laufe einer Woche tatsächlich zum Schreiben kommen. Das Aufschreiben dieser Zeiten hat zusätzlich auch noch den angenehmen Nebeneffekt, dass es einen motiviert, noch mehr Zeit zum Schreiben zu finden – denn schließlich will man ja am Ende der Woche etwas vorzuweisen haben.

Sobald Sie Ihr Autorenlogbuch etwas länger führen, können Sie außerdem auch noch recht gut auswerten, wie lange Sie beispielsweise für einen durchschnittlichen Blogpost, eine Kurzgeschichte oder eine Novelle brauchen – oder wie viele Stunden pro Woche für diverse Nebentätigkeiten wie Buchmarketing und Social Media drauf gehen.

Mit diesen Zahlen bewaffnet können Sie sich daran machen, für das kommende Jahr (oder die restlichen Monate des aktuellen Jahres) eine realistische Planung aufzustellen. Das Ergebnis einer solchen Planung liest sich natürlich nicht mehr ganz so beeindruckend, wie man das gerne hätte – aber bekanntlich ist der Spatz in der Hand immer noch besser als die Taube auf dem Dach.

Eine solche Planung hat auch noch einen weiteren Vorteil: Dadurch, dass man sich bewusst für ganz bestimmte Projekte entschieden hat, weiß man zugleich, dass man zu allen anderen Ideen „nein“ sagen bzw. diese auf einen späteren Zeitpunkt verschieben muss.

Und was haben Sie sich für dieses Jahr vorgenommen?


Cui bono? Wie Sie mit nur einer Frage eine simple Grundidee zu einer komplexen Romanhandlung ausbauen

Auf eine Idee für eine Romanhandlung zu kommen, ist recht einfach: Man braucht nur einen Protagonisten, der etwas will, das er nicht ohne weiteres erreichen kann (da ihm z.B. der Antagonist dabei im Wege steht) – oder einen Antagonisten, dessen Plan die Welt des Protagonisten aus dem Gleichgewicht bringt und den der Protagonist daher aufhalten muss.

Doch damit hat man leider noch lange nicht genug Material, um einen kompletten Roman zu schreiben. Die Handlung ist damit immer noch zu rudimentär, zu gradlinig und zu leicht durchschaubar. Für einen kompletten Roman (wie z.B. ein NaNoWriMo-Projekt) braucht man mehr Komplikationen, mehr Vielschichtigkeit und zusätzliche Konflikte, damit einem nicht spätestens auf halbem Wege der Stoff ausgeht und die Spannung im Sande versickert.

Egal wie erbittert und kreativ sich Protagonist und Antagonist wieder und wieder bekämpfen, austricksen und sich gegenseitig in die Suppe spucken – auf Dauer wird das langweilig. Spannung ist nicht ein Tauziehen zwischen Gut und Böse, bei dem abwechselnd mal der eine und mal der andere vorne zu liegen scheint.

Wahre Spannung kommt auf, wenn weitere Personen mit eigenen Motiven aktiv in die Handlung eingreifen – egal ob sie dem Helden helfen, ihn behindern, ihn in die Irre führen oder in gar offen bekämpfen. Je mehr solche Einflussfaktoren es gibt, desto unvorhersehbarer wird die Handlung und desto weniger wird der Leser in der Lage sein, das Buch vor der letzten Seite zur Ende zu legen.

Das klingt nach einer schwierigen Aufgabe, doch in Wahrheit brauchen Sie nur Stift, Papier, ein wenig Zeit – und eine einzige Frage…

Cui bono: Wem nützt es?

In polizeilichen Ermittlungen oder Gerichtsprozessen wird gerne die Frage „Cui bono?“ gestellt – ein lateinischer Ausdruck, der auf den römischen Staatsmann Marcus Tullius Cicero zurückgeht und frei übersetzt bedeutet: „Wem nützt es?“

In der Kriminalistik dient die Cui-Bono-Frage dazu, den Verdächtigen mit dem besten Motiv zu erkennen. Es liegt immer die Vermutung nahe, dass derjenige, der am meisten von einem Verbrechen profitiert, mittelbar oder unmittelbar dafür verantwortlich ist.

Doch da wir für unseren Roman keinen Verdächtigen suchen, sondern weitere vom zentralen Konflikt betroffene Personen oder Gruppierungen, erweitern wir die Frage des alten Cicero noch etwas und fragen „Wem nützt oder schadet es?“

In Ihrem Roman haben Sie üblicherweise zwei miteinander unvereinbare Ziele: das Ihres Protagonisten und das des Antagonisten. Erreicht Ihr Protagonist sein Ziel, hat der Antagonist damit verloren – und umgekehrt. Im zentralen Konflikt Ihres Romans kann es immer nur einen Sieger geben. Faule Kompromisse oder ein simples „unentschieden“ sind nicht möglich.

Doch neben Ihrem Protagonisten und Ihrem Antagonisten gibt es noch eine ganze Reihe anderer Personen, deren Leben vom Ziel Ihres Protagonisten und/oder vom Ziel Ihres Antagonisten auf die eine oder andere Weise beeinflusst wird. Das Ziel unserer Frage ist es, diese Personen zu identifizieren und zu prognostizieren, ob und in welcher Weise sie aktiv in die Handlung eingreifen werden, um ihre eigenen Interessen zu wahren.

Für unsere Zwecke ist es egal, ob es Ihr Protagonist oder Ihr Antagonist ist, der mit seinem Plan den Ball ins Rollen bringt: Will Ihr Protagonist das Verschwinden seines Onkels aufklären, einen besser bezahlten und interessanteren Job finden oder nach Neuseeland auswandern? Will Ihr Antagonist ein Gemälde aus dem Louvre stehlen, seinen reichen Erbonkel vergiften oder mit aus einem Forschungslabor gestohlenen tödlichen Viren die Regierung erpressen?

Jedes dieser Ziele, ob nun „gut“, „böse“ oder neutral, beeinflusst nicht nur das Leben Ihres Protagonisten bzw. Antagonisten, sondern auch das anderer Menschen. Fragen Sie also: „Wem nützt oder schadet es?“, um weitere interessante Facetten der Handlung aufzudecken.

Die Cui-Bono-Frage in der Praxis

Ein Beispiel: Ihr Protagonist will das mysteriöse Verschwinden seines Onkels aufklären.

Wenn der Onkel beispielsweise auf einer Expedition im Amazonas verschollen ist und sein Wissenschaftler-Kollege für die dort gemeinsam gemachten Entdeckungen ein heißer Kandidat für den nächsten Nobelpreis für Biologie ist, tut sich genügend Konfliktpotential auf.

Die schwangere Freundin Ihres Protagonisten wird nicht gerade begeistert sein, wenn er sich in ein so waghalsiges Abenteuer begeben will – ebensowenig wie sein Chef, der keine Lust hat, einem seiner wichtigsten Mitarbeiter einige Wochen bis Monate unbezahlten Urlaub zu gewähren. Ganz zu schweigen vom Kollegen des verschwundenen Onkels, der nicht das geringste Interesse hat, wenn mehr über die mysteriösen Umstände des Verschwindens bekannt wird.

Wenn Sie ein wenig mit der Cui-Bono-Frage herumspielen, finden Sie mit Sicherheit mindestens ein Dutzend mehr oder weniger wichtiger Charaktere, die vom Plan Ihres Protagonisten tangiert werden. Was wäre z.B., wenn der Vater des Protagonisten hoch verschuldet wäre und seine letzte Chance ist, dass der verschollene Onkel für tot erklärt wird, da er im Testament seines kinderlosen und äußerst wohlhabenden Bruders als Alleinerbe eingetragen ist?

Vielleicht würde er anfangs seinen Sohn sogar bei der Suche unterstützen, in der Hoffnung, Beweise für den Tod seines Bruders zu finden und so die Zeit abzukürzen, bis dieser für tot erklärt und sein Testament vollstreckt wird.

Doch was wäre, wenn er einen geheimnisvollen Brief ohne Absender erhält, in dem angedeutet wird, dass sein Bruder noch lebt? Ist Blut wirklich dicker als Wasser? Würde der Vater Ihres Protagonisten nun versuchen, die Suche nach seinem Bruder zu behindern, damit dieser niemals gefunden wird und er zumindest nach fünf Jahren das Erbe kassieren kann? Oder würde er gar jemanden engagieren, der dem Protagonisten hinterher reist und dafür sorgt, dass der Onkel niemals (oder zumindest nicht mehr lebend) gefunden wird?

Sie sehen, wie sich allein durch die Frage „Wem nützt oder schadet das Ziel des Protagonisten oder des Antagonisten noch?“ eine Handlung innerhalb kürzester Zeit von einere relativ simplen Idee zu einer komplexen Geschichte entwickeln kann.

Das funktioniert natürlich ebenso gut mit Zielen eines Antagonisten.

Ein Beispiel: Der Gangsterboss Corelli will mit seinem Drogenkartell an die Ostküste expandieren und darum das dort herrschende Vinci-Syndikat übernehmen oder zerschlagen. Das tangiert nicht nur die Polizei und die Drogenfahndung, sondern auch die von dieser gewaltsamen Übernahme bedrohten Gangster, die nun auf Corellis Abschussliste stehen. Wie heißt es so schön: Der Feind meines Feindes ist mein Freund?

Ihr Protagonist, ein aufrechter Polizist, hat auch noch eine Rechnung mit Corelli offen:  Seine Frau starb vor Jahren bei einem Bombenanschlag, der eigentlicht ihm galt und der ganz klar Corellis Handschrift trägt. Würde Ihr Protagonist sich hinter dem Rücken seiner Kollegen mit dem Syndikatsboss Vinci verbünden, um den Mörder seiner Frau zur Strecke zu bringen? Wie würde er das vor sich selbst rechtfertigen? Und welche Konsequenzen hätte eine solche Entscheidung auf seine Kollegen oder andere laufende Ermittlungen? Die Geister, die man einmal gerufen hat, wird man bekanntlich nur schwer wieder los…

Die Ideen, die durch die Cui-Bono-Fragetechnik ausgelöst werden, machen eine Handlung nicht nur komplexer, sondern auch realistischer. Wir alle leben in komplexen sozialen Strukturen, die einander stark überlappen: Familie, Firma, Verein, Clique, Religion, politische Partei et cetera… Jede dieser Gruppierungen hat eigene Werte und Ziele, die auch für ihre Angehörigen gelten und die durchaus zu einem handfesten Dilemma durch konkurrierende und nicht miteinander vereinbare Ziele führen können.

Wenn Sie erst einmal damit anfangen, eine vermeintlich einfache Ausgangssituation mit der Cui-Bono-Frage zu durchleuchten, breiten sich die Ideen meist wie ein Buschfeuer in alle Richtungen aus. Ich habe selbst die Erfahrung gemacht, dass man oft kaum schnell genug schreiben kann, um die ganzen Ideen für mögliche Konflikte, Szenen und überraschende Wendungen zu notieren, die einem dabei in den Sinn kommen.

Probieren Sie es einfach selbst einmal aus. Ich bin sicher, dass die Ergebnisse Sie überzeugen werden.


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Warum Wordcount nicht alles ist

Wenn es um das Setzen von Zielen und das Messen ihrer persönlichen Produktivität geht, ist es in den letzten Jahren unter Schriftstellern mehr und mehr in Mode zu kommen, alles am Wordcount zu messen – also an der Anzahl der (neuen) Wörter, die man in einem bestimmten Zeitraum geschrieben hat. Die Messgröße „Wordcount“ hat es sogar geschafft, als Anglizismus in unseren alltäglichen Wortschatz einzuziehen, da es hier ebenso wie z.B. für das „Meeting“ im Deutschen kein einzelnes, ebenso prägnantes und allgemeingültig verwendbares Wort gibt.

Dazu haben natürlich auch die Aussagen diverser hauptberuflicher Schriftsteller über ihre persönliche Arbeitsweise beigetragen. Wenn z.B. Stephen King in seinem Buch „Das Leben und das Schreiben“ sagt, dass er jeden Tag 2.000 Wörter schreibt, betrachten viele nebenberufliche oder hobbymäßige Schriftsteller eine solche Aussage wie die Offenbarung eines Propheten. Schließlich funktioniert das bei Stephen King doch blendend und ermöglicht es ihm, routiniert und zuverlässig ein Buch nach dem anderen zu schreiben.

Und auch wenn sie sich aufgrund ihrer knappen Zeit (zu Recht!) nicht zutrauen, Stephen Kings straffe Vorgabe 1:1 zu übernehmen, setzen sie sich dennoch eine herunterskalierte Form von Kings persönlicher Messlatte als Ziel – zum Beispiel 1.000 Wörter pro Tag. Aber ist das wirklich der richtige Weg?

Fakt ist, dass die meisten Schriftsteller ein solches Ziel nicht allzu lange durchhalten. Vielleicht ein paar Wochen, maximal ein paar Monate – dann geht ihnen (Gewohnheit hin oder her) die Puste aus und der eigentlich gut gemeinte Vorsatz geht denselben Weg wie der, sich gesünder zu ernähren oder mehr Sport zu treiben. Jedenfalls bei denen, die neben dem Schreiben auch noch einen Vollzeit-Job, einen Haushalt, eine Familie, Freunde etc. haben.

Natürlich gehört der Wordcount zu den wenigen klar messbaren Größen unter Schriftstellern, Journalisten und Bloggern.

Man kann ohne viel Aufwand ermitteln, wie viele Wörter man z.B. innerhalb der letzten Stunde geschrieben hat. Schließlich hat so ziemlich jedes Textverarbeitungsprogramm eine Funktion wie „Wörter zählen“ oder „Textstatistiken“, die einem auf Knopfdruck die aktuelle Länge des eigenen Manuskripts ausspuckt. Und seit Word 2007 haben auch die Microsoft-Schreibprogramme (ebenso wie Zenware-Schreibprogramme wie WriteMonkey, FocusWriter oder Q10) einen „Live-Wordcount“, der sich automatisch aktualisiert und stets am unteren Bildschirmrand die aktuelle Länge des Manuskripts zeigt, ohne dass man ihn jedes Mal manuell aktualisieren müsste.

Journalisten und Autoren von Fachartikeln werden oft nach Wörtern bezahlt und für die meisten Publikationen von der Kurzgeschichte für eine Anthologie bis hin zum Roman gibt es längenmäßige Vorgaben. Insofern macht es natürlich durchaus Sinn, beim Schreiben den Wordcount des eigenen Manuskripts im Auge zu behalten.

Doch abgesehen davon, dass immer mal etwas dazuwischen kommen kann, das unseren geplanten Schreib-Zeitplan durcheinander würfelt, ist das Problem zu hoher, womöglich täglicher Wordcount-Ziele, dass das „Schreiben“ von Büchern, Kurzgeschichten, Artikeln oder Blogposts nun mal nicht dasselbe ist wie die rein mechanische Tätigkeit des „Schreibens“ am PC oder von Hand.

Das „Schreiben“ im Gegensatz zum „Tippen“ besteht aus kreativen Ideen, Recherche, Planung und Struktur, dem Schreiben der Rohfassung, der inhaltlichen, strukturellen und stilistischen Überarbeitung, der Veröffentlichung und schließlich auch der Vermarktung der eigenen Texte. Ganz zu schweigen von dem administrativen Drumherum.

Das reine Schreiben, das wir anhand unseres Wordcounts messen können, ist also nur ein Puzzlesteinchen im großen Gesamtbild. Zwar ein wichtiges Steinchen, denn ohne zu schreiben können wir niemals unsere Ideen in greifbare Form bringen, und ohne zu schreiben haben wir auch nichts, was wir überarbeiten und letztendlich veröffentlichen können – aber dennoch ist es lediglich ein Teil des Ganzen.

Wer also ausschließlich auf den Wordcount schielt und den größten Teil seiner knappen Schreibzeit dafür verplant, möglichst viele Wörter zu schreiben, ist mit Vollgas auf dem Holzweg in Richtung einer Sackgasse ohne Wendemöglichkeit unterwegs.

Egal, wie viele gute Ideen Sie noch in der Schublade liegen haben und wie gut Sie Ihr aktuelles Buchprojekt vorgeplant haben – früher oder später geht Ihnen der Stoff aus und Sie geraten in den Nebel mangelhafter Planung.

Das Tückische an diesem Nebel ist, dass dieser sich so langsam um Sie zusammen zieht, dass Sie es anfangs kaum merken. Sie sind halt nicht mehr ganz so gut wie sonst vorbereitet und müssen ein bisschen mehr als sonst improvisieren. Aber das ist ja nicht schlimm, denn auch so bekommen Sie immer noch Ihren angepeilten täglichen Wordcount zu Papier. Vielleicht nicht mehr ganz so mühelos wie am Anfang, aber immerhin.

Und während Sie von Tag zu Tag fast unmerklich tiefer in jene Grauzone vordringen, in der die Improvisation einen immer größeren Anteil einnimmt, lässt die Qualität Ihres Outputs langsam nach. Wenn Sie Sachbücher, Artikel oder Blogposts schreiben, sind diese nicht mehr so gut durchdacht, strukturiert und recherchiert wie früher, sondern werden allgemeiner, schwammiger und weniger originell. Romanautoren werden von strategischen Plottern und Outlinern mehr und mehr zu „Pantsern“, die sich ohne Vorplanung durch ihre Romanhandlung tasten, stets in der Hoffnung, irgendwann an einem sinnvollen Ende anzukommen.

Diese Improvisation rächt sich spätestens dann, wenn Sie die Rohfassung Ihres Manuskripts fertig geschrieben haben. Denn als Faustformel können Sie davon ausgehen, dass jede bei der Planung fehlende/eingekürzte Stunde in 2-3 Stunden zusätzlichem Zeitaufwand für die Überarbeitung resultiert. Ohne solide Planung müssen Sie sich bei der Revision nicht mehr nur um Ihren Schreibstil und einzelne Formulierungen kümmern, sondern ganz oben bei Struktur und Inhalt ansetzen. Das kann wiederum dazu führen, dass Sie umfangreiche Passagen Ihres Manuskripts rauswerfen und ersetzen oder zumindest so gründlich überarbeiten müssen, dass dabei kaum ein Stein auf dem anderen bleibt.

Sobald es an die Revision geht, sind Sie mit der Wordcount-Rechnung ohnehin am Ende. Denn gerade bei längeren Texten wie Kurzgeschichten oder ganzen Büchern müssen Sie für die Revision mindestens ebensoviel Zeit wie für das Schreiben der Rohfassung einplanen – eher sogar noch deutlich mehr. Jedenfalls, wenn Sie Wert darauf legen, am Ende ein fertig überarbeitetes Manuskript zu haben, das auch professionellen Ansprüchen gerecht wird. Oder wie Schreibpapst Sol Stein es formuliert hat: „Schreiben ist Umschreiben!“

Wer nun „nebenher“ weiter versucht, seine selbst gesetzte tägliche oder wöchentliche Wordcount-Messlatte einzuhalten, vernachlässigt fast automatisch die Überarbeitung des letzten, bereits fertig geschriebenen Manuskripts. Entweder bekommt man dieses also erst sehr viel später (oder nie) auf einen veröffentlichungsreifen Stand – oder man begnügt sich mit einem zu niedrigen Level und veröffentlicht letztendlich ein kaum oder zumindest unzureichend überarbeitetes Manuskript.

Wenn ich mir manche selbstverlegten Bücher anschaue, habe ich den Eindruck, dass diese „Augen zu und raus damit“-Mentalität gar nicht so selten ist. In der Praxis ist das natürlich der schnellste Weg, nicht nur das eigene Buch, sondern auch den eigenen guten Ruf als Autor gründlich zu verbrennen. Denn wenn erst einmal die ersten 1- oder 2-Sterne-Rezensionen eintrudeln, die nicht durch eine vielfache Übermacht begeisterter 4- oder 5-Sterne-Rezensionen ausgeglichen werden können, wird kaum noch jemand so risikofreudig sein, das Buch trotz der schlechten Bewertungen zu kaufen. Selbst eine später nachgeschobene, gründlich überarbeitete und lektorierte Fassung kann die schlechten Bewertungen nicht mehr ungeschehen machen. Denn kaum einer der verärgerten Leser wird sich das Buch in der überarbeiteten Fassung neu herunterladen, nochmals lesen und dann seine damalige Kritik wohlwollend abändern.

Aber, werden jetzt manche fragen, wenn Wordcount-Ziele tatsächlich fast von vorneherein zum Scheitern verurteilt sind, warum funktionieren sie dann für Autoren wie Stephen King? Die Antwort ist einfach. Vollzeit-Autoren wie Stephen King haben theoretisch fast den ganzen Tag Zeit zum Schreiben. Wenn jemand wie King sich vornimmt, jeden Tag 2.000 Wörter zu schreiben, macht das für ihn (abhängig von seiner Schreibgeschwindigkeit) irgendwas zwischen zwei und vier Stunden am Tag aus. Während das für die meisten nebenberuflichen Schriftsteller schon fast die gesamte Zeit ist, die sie fürs Schreiben freischaufeln können, hat der Vollzeit-Autor anschließend immer noch locker das Doppelte dieser Zeit zur Verfügung, um für die nächsten Tage vorzuplanen oder bereits geschriebene Texte zu überarbeiten.

Der nebenberufliche oder hobbymäßige Autor, der nach einer kurzen Pi-mal-Daumen-Schätzung zu dem Schluss kommt, dass auch er 1.000 oder gar 2.000 Wörter pro Tag schreiben kann, vernachlässigt bei seiner Kalkulation das ganze Drumherum: Für einen Vollzeit-Autor beschreibt die Aussage „2.000 Wörter am Tag“ nicht seinen Arbeitstag, sondern einen kleinen Ausschnitt daraus. Solange wir also nicht auch den ganzen Tag zu unserer freien Disposition haben, brauchen wir gar nicht darüber nachzudenken, es ihnen gleich zu tun. Das ist wie der zum Scheitern verurteilte Versuch, eine ganze Flasche Bier in ein Schnapsglas zu füllen – ohne zwischendurch abzutrinken.

Der Weg zu einem realistischen Wordcount-Ziel

Wenn Sie sich trotz meiner oben geäußerten Bedenken dennoch ein Wordcount-Ziel als Maßstab für Ihre persönliche Schreib-Produktivität setzen wollen, sollten Sie zumindest die folgenden Tipps beherzigen:

  1. Setzen Sie sich kein tägliches, sondern lediglich ein wöchentliches Ziel. Also nicht „täglich 500 Wörter“, sondern lieber „jede Woche 3.500 Wörter“. Es kann immer etwas dazwischen kommen, was Sie einen Tag am Schreiben hindert – aber mit einem Wochenziel haben Sie zumindest noch die Chance, eventuelle Rückstände am Wochenende aufzuholen.
  2. Setzen Sie Ihr Wordcount-Ziel so niedrig an, dass Sie es in maximal 20% der Zeit bewältigen können, die Sie insgesamt zum Schreiben zur Verfügung haben. Halten Sie Ihre Schätzung lieber realistisch niedrig als zu optimistisch hoch. Wenn Sie also je nach Tagesform in einer Stunde zwischen 500 und 1000 Wörtern schreiben können, sollten Sie nur mit 500 Wörtern kalkulieren. Wenn Sie mehr schaffen, umso besser. Falls nicht, haben Sie sich das Hemd aber auch nicht zu eng gemacht. Maximal sollten Sie mit dem Durchschnittswert (also 750 Wörter als Mittelwert) kalkulieren.

Wenn Sie in der Woche 20 Stunden Zeit zum Schreiben haben (z.B. werktags jeden Morgen zwei Stunden und an Wochenendtagen jeweils fünf Stunden), sollten Sie nur 20% davon, also vier Stunden, mit Ihrer stündlichen Quote multiplizieren. Bei 750 Wörtern wären das 3.000 Wörter pro Woche.

Ein solcher Wert erscheint Ihnen vermutlich geradezu lächerlich gering. Nur 3.000 Wörter pro Woche, obwohl Sie 20 Stunden pro Woche Zeit für Ihre Schreibprojekte haben? Das wären ja gerade mal 150 Wörter pro Stunde. Stimmt – aber so sollten Sie nicht rechnen.

Zunächst einmal sind 3.000 Wörter pro Woche alles andere als wenig. Das entspricht ungefähr 10-12 Taschenbuchseiten, was aufs Jahr gerechnet 500-600 Buchseiten ausmacht. Das wäre entweder ein richtig dicker Wälzer oder zwei etwas schlankere Taschenbücher mit 250-300 Seiten – z.B. für Krimis ein guter Umfang.

Außerdem lässt Ihnen dieser Plan genug Luft zum Atmen – bzw. für die anderen Phasen des Schreibens. Wenn Sie wöchentlich vier Stunden fürs reine Schreiben einplanen, bleiben Ihnen bis zu 16 Stunden, um beispielsweise parallel bereits Ihr nächstes Buch zu planen, Ihr zuletzt fertig geschriebenes Manuskript gründlich zu überarbeiten und sich um die Veröffentlichung und Vermarktung Ihrer bereits fertig überarbeiteten Bücher zu kümmern.

Dazu noch ein letzter Tipp: Teilen Sie Ihre Zeiten so auf, dass Sie rechtzeitig mit der Planung Ihres nächsten Buchs fertig sind, bevor Sie mit Ihrem aktuellen Buch beim magischen Wörtchen „ENDE“ ankommen. So können Sie nach der Fertigstellung Ihres aktuellen Manuskripts nahtlos mit dem Schreiben weiter machen und so auch weiterhin Ihr wöchentliches Wordcount-Ziel einhalten.


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