Einer der besten Tipps, den ich jedem Schriftsteller ans Herz legen kann, ist dieser: Gewöhnen Sie sich an, schriftlich zu denken.
Schriftlich denken? Ganz genau. Es ist zweitrangig, ob Sie lieber handschriftlich (und insofern automatisch etwas bedächtiger) arbeiten oder doch lieber die Finger über die PC-Tastatur fliegen lassen. Wichtig ist nur, dass Sie sich angewöhnen, nicht mehr nur über ein Thema nachzudenken, sondern Ihre Gedanken, Ideen und Erkenntnisse gleichzeitig schriftlich festzuhalten.
Es geht dabei keinesfalls darum, jeden Gedanken druckreif auszuformulieren, bevor man ihn zu Papier bzw. auf den Bildschirm bringt, sondern einfach nur, nichts verloren gehen zu lassen.
Zum Thema „schriftlich denken“ gibt es zwei ausgezeichnete Zitate, die die Vorteile und den Nutzen dieser Technik auf den Punkt bringen:
- „Ohne zu schreiben, kann man nicht denken; jedenfalls nicht in anspruchsvoller, anschlussfähiger Weise.“ Niklas Luhmann (deutscher Soziologe und Schriftsteller)
- „Docendo disco, scribendo cogito“ (lateinisches Sprichwort, übersetzt: „Ich lerne, indem ich lehre, und denke, indem ich schreibe.“)
Außer dem unschätzbaren Vorteil, dass einem auf diese Weise kein potentiell wichtiger Gedanke mehr verloren geht, sondern man im Nachhinein immer noch einmal das Protokoll seiner Denkprozesse und Ideen durchgehen und wichtige Ansatzpunkte herausziehen kann, ist das „schriftliche Denken“ übrigens auch ein ausgezeichnetes Mittel gegen Schreibblockaden und falschen Perfektionismus.
In unserem Wortschatz kennen wir zwar die von Schriftstellern gefürchtete Schreibblockade, aber (außer vielleicht in scherzhaftem Zusammenhang) weder eine Denkblockade noch eine Redeblockade. Wir denken den ganzen Tag über dies, das oder jenes nach und reden mit Freunden, Familie und Kollegen über alles, was uns gerade so durch den Kopf geht, ohne dabei großartig über Form und hochgestochene Formulierungen nachzudenken.
Genauso sollte man beim „schriftlichen Denken“ vorgehen: Schreiben Sie einfach ungefiltert alles mit, was Ihnen bei der Planung einer Kurzgeschichte, eines Artikels oder einer Romanhandlung durch den Kopf geht. Ungefiltert und ganz bewusst unperfekt. Was Sie hier aufschreiben, muss außer Ihnen selbst nie irgend ein Mensch zu Gesicht bekommen. Es ist lediglich Rohmaterial, bei dessen späterer Durchsicht Sie allerdings häufig mehr als nur eine einzelne Perle entdecken werden, die Ihnen zwischen den Fingern hindurch gerutscht wäre, wenn Sie nicht alles im selben Augenblick aufgeschrieben hätte.
Natürlich erfordert es ein wenig Übung, den inneren Kritiker in seine Schranken zu verweisen und einfach „mitzuschreiben“, was Ihnen beim Nachdenken über ein bestimmtes Thema durch den Kopf geht. Doch wenn Ihr ‚innerer Kritiker‘ erst einmal merkt, dass dies wirklich nichts anderes als Notizen sind, die gar nicht den Anspruch haben, später in irgendeinem Zusammenhang veröffentlicht zu werden, wird er Sie schließlich in Ruhe lassen.
Das „Schriftliche Denken“ können Sie für jedes Schreibprojekt einsetzen: ob Sie sich nun über die Motivation einer bestimmten Romanfigur, ihre Vergangenheit oder ihre Pläne Gedanken machen oder eine bestimmte Szene in Ihrem „Kopfkino“ durchspielen – gewöhnen Sie sich an, alles mitzuschreiben.
Diese „Mitschrift“ Ihrer Gedanken können Sie (auch wenn Sie das natürlich nicht müssen) anschließend ausdrucken und mit Textmarker oder farbigen Finelinern die wichtigsten Gedanken, Punkte und Anregungen markieren, die Sie weiter verfolgen wollen.
Das „schriftliche Denken“ ist natürlich keinesfalls auf Schreibprojekte beschränkt. Auch wenn Sie sich Gedanken machen, was für ein Auto oder Smartphone Sie sich kaufen sollten oder was Sie im kommenden Sommerurlaub unternehmen wollen – eine Mitschrift Ihrer Gedanken hilft Ihnen mehr als alles andere, Klarheit zu gewinnen und die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Probieren Sie es einfach einmal aus. Ich bin sicher, dass Sie schon bald nicht mehr darauf verzichten möchten.