Mit rollierender Planung gegen Schreibblockaden

Viele Schriftsteller und Autoren kennen das Problem: Schreibblockade. Man sitzt am PC vor der leeren Seite – und kommt einfach nicht weiter. Und je länger man an der Tastatur sitzt, ohne voran zu kommen, desto nervöser und verkrampfter wird man – und umso schlimmer wird auch die Schreibblockade.

Doch es gibt eine äußerst effektive Methode gegen Schreibblockaden: niemals an den PC setzen und anfangen zu schreiben, solange man noch nicht ganz genau weiß, was man schreiben will.

Man muss nicht unbedingt das ganze Buch Szene für Szene bis zum großen Finale durchgeplant haben (auch wenn das äußerst hilfreich ist und die später für die Revision benötigte Zeit enorm reduziert). Es genügt vollkommen, wenn man das grobe Grundgerüst der Handlung kennt – sozusagen eine Handvoll Orientierungspunkte, die so abgesteckt sind, dass man beim Schreiben immer den jeweils nächsten Punkt am Horizont erkennen und beim Schreiben anpeilen kann.

Aber (und dieses ABER kann man gar nicht groß genug schreiben ;-)) man sollte sich immer die nächsten 2-3 Szenen schon so genau zurecht gelegt haben, dass man sie einfach nur noch aufschreiben muss.

Da der Planungshorizont immer gleich bleibt (es sind immer die nächsten 2-3 Szenen, die im Voraus geplant werden), spricht man hier von „rollierender“ Planung. Oder wie E.L. Doctorow es formuliert hat: „Schreiben ist wie eine Fahrt durch den Nebel. Man sieht nicht weiter, als der Scheinwerfer reicht, aber man kann so die ganze Strecke zurücklegen.“

Notizen sind dafür hilfreich – z.B. Microplotting (also die einzelnen Ereignisse innerhalb einer Szene aufschreiben und in die optimale Reihenfolge bringen) – aber besonders wichtig und effektiv ist es, ansonsten unproduktive Pausen (Stau auf der Autobahn, Schlange an der Supermarktkasse, Wartezimmer beim Zahnarzt, Werbeunterbrechung im Fernsehen…) und geistig relativ anspruchslose Tätigkeiten (Rasen mähen, Joggen, Abwasch…) dafür zu nutzen, die nächsten Szenen wieder und wieder vor dem geistigen Auge im Kopfkino ablaufen zu lassen.

Damit meine ich nicht nur, sich selbst die Handlung der Szene zu erzählen, sondern die Szene wirklich mit allen Sinnen zu visualisieren, bis man sie genauso plastisch und realistisch vor seinem geistigen Auge sieht wie eine Filmszene, die man schon hundertmal gesehen hat. Solange, bis man jede wichtige Dialogzeile mitsprechen kann und stets genau weiß, was die Charaktere sehen, hören und empfinden – und wie sie gleich reagieren werden.

Dieses wiederholte Durchexerzieren der Szenen VOR dem eigentlichen Schreiben verbessert nicht nur die Qualität der Rohfassung ungemein, sondern nimmt einem die Angst vor der leeren Seite (die Szene existiert ja schon, man muss sie nur noch aufschreiben) und sorgt zusätzlich auch noch für den brennenden Wunsch, endlich tatsächlich die Finger über die Tasten fliegen zu lassen. Das ist wie mit dem Teekessel auf dem Gasherd. Je länger man ihn auf der Flamme kochen lässt, umso größer wird der Druck – bis der Kessel schließlich pfeift. Dass man diesen Punkt erreicht hat, merkt man daran, dass man es kaum noch abwarten kann, endlich an den Computer zu kommen und die Szene zu Papier zu bringen.

Wie lange dieser Vorlauf pro Szene ist, hängt davon ab, wie viel Zeit man zum Nachdenken, Planen und Durchspielen findet. Aber selbst wenn man so pro Woche nur 2-3 Szenen schafft (also eine alle 2-3 Tage), kann man die Rohfassung eines Romans (ca. 60-100 Szenen je nach persönlichem Schreibstil und Umfang des Buchs) dennoch in 6-9 Monaten fertig geschrieben haben.

Wie gesagt: Wenn man sich dann tatsächlich ans Schreiben setzt, muss man nicht mehr nachdenken, sondern nur noch „abspulen“, was man schon so oft in Gedanken durchgespielt hat. Mit etwas Übung (und Zehn-Finger-System) kann man mit einer so guten Vorbereitung locker eine ganze Szene von 5-6 Buchseiten (also 1.500-1.800 Wörter) innerhalb einer einzigen Stunde in den PC hämmern. Wenn es bei einem Text so richtig gut läuft, schaffe ich bis zu 2.000 Wörter in der Stunde. Natürlich nur Rohfassung – die Überarbeitung dauert noch einmal mindestens genauso lange.
Und ganz wichtig: beim eigentlichen Schreiben unbedingt auf falschen Perfektionismus verzichten. Die Rohfassung soll gar nicht perfekt sein – sie muss nur vorhanden sein. Oder wie Nora Roberts es so treffend formuliert hat: „Man kann keine leere Seite korrigieren“.

Wenn man den eigenen inneren Kritiker in Urlaub schickt und sich selbst die Erlaubnis gibt, eine grottenschlechte Rohfassung zu schreiben, nimmt das der Sache auch noch einmal sehr viel Druck. Überarbeitung ist eine logische, analytische Tätigkeit, die man ohnehin strikt vom kreativen und teils chaotischen Schreiben der Rohfassung trennen sollte.

Wenn man das berücksichtigt, sollten Schreibblockaden in den meisten Fällen der Vergangenheit angehören.

Was sind eure Erfahrungen mit Schreibblockaden und was hat euch geholfen, diese zu überwinden?


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