Gastartikel von Martin Danesch
Kontexte und Figurenwissen – den Durchblick behalten
Kontexte – was ist das denn?
Die Küche ist zum Tatort geworden. Nicht für einen Apfelstrudel oder ein Curryhühnchen, sondern Bruno liegt am Boden, das Tranchiermesser in der Brust, eine Lache Blutes ist von dem Fleckerlteppich aufgesogen worden und mittlerweile dunkelrot geronnenen.
Der Frau des Hauses scheinen die Nerven durchgegangen zu sein ob der Ignoranz ihres seit dreißig Jahren Angetrauten – und das bei all ihren hingebungsvollen Bemühungen.
Dieser Entladung im Affekt gehen einige Szenen voran, in denen der Leser das Zunehmen des Innendrucks Adelheid Kruses miterleben kann. Doch so einfach der Fall auf den ersten Blick scheint, als so verworren wird er sich im Verlauf der Geschichte herausstellen. Denn Adelheid schien gar nicht zu Hause gewesen zu sein. Auch stand ein Gericht auf dem Herd, das nicht zu ihrem Repertoire gehört. Eine Trittbrettköchin? Brunos Geliebte? Die Nachbarin, die Zugleich Brunos Ex ist? Tja …
Egal, auf jeden Fall wird viel um den Tatort geschehen. Die Nachbarn werden befragt, der Kommissar wird ein paar Mal dort sein, die Küche wird amtlich versiegelt, das Siegel wird aufgebrochen und eine Bombe wird in der Küche explodieren.
Nicht nur Krimileser denken mit, glaube ich. Wenn bei der ersten Szene Küchentür und Fenster gegenüber liegen und beim Kommissarbesuch über Eck, wenn es bei der ersten Auseinandersetzung eine Anrichte dort gab, wo später der Kühlschrank steht oder wenn der Fleckerlteppich im Laufe der Geschichte einmal blau, einmal gestreift und dann wieder beige ist – das alles sind Sachen, die den Leser zu einem ungewollten Stirnrunzeln verleiten. So etwas sollte nicht passieren.
Tut es auch nicht, denn als gewissenhafte Autorin blättern wir immer wieder brav zurück und suchen, wie wir den Tatort beschrieben haben. Nur – auf welcher Seite stand das? War das beim ersten Streit? Oder beim Besuch von Schöttlers, die schon damals den Kopf schüttelten wegen Bruno Kruses Reaktion auf die süßsauren Nieren, die doch sein Lieblingsgericht waren?
Speziell wenn man ein Buch nicht in einem Rutsch durchschreibt, hat man nicht mehr alles im Kopf, was wann wie aussah, geschah, gesagt oder verstanden worden war. Bei mir hilft selbst der Rutsch nicht, denn ich bin mir auch so mitunter nicht mehr ganz sicher.
Fazit: Um sicherzugehen, was wann, wie, wo und warum geschah, muss man immer wieder nachschlagen. Und das ist lästig und eigentlich sinnlose Zeitverschwendung.
Und genau hier kommen, nach langer Einleitung, die Kontexte ins Spiel.
Nehmen wir die Krusesche Küche als Beispiel. Wir legen einen Kontext an mit der Bezeichnung ›Küche Kruse‹. Ein Kontext ist sozusagen eine Schachtel, in die wir Zettelchen sammeln, die damit zusammenhängen. Dank IT geht das aber einfacher. Wir brauchen lediglich im Text überall dort eine Nadel einpieksen, wo die Küche zur Sprache kommt. Ergänzen kann man den Link idealerweise mit einem Hinweis, was gerade geschieht: ›Erstmals‹, ›Erste Auseinandersetzung‹, › Schöttlers Besuch‹, ›Der Tote wird entdeckt‹, ›Kommissar Hagedorn am Tatort‹, ›Tatort versiegelt‹ und so weiter. Einfach bei jedem Vorkommen des Tatorts, an dem es Beschreibungen geben kann, fügen wir eine Kontextverknüpfung ein. Entweder gleich beim Schreiben – wenn wir den Nerv dazu haben – oder beim ersten Durchgehen.
In Patchwork einen Kontext anlegen
Konkret können wir das im Demoprojekt verfolgen. Dabei handelt es sich um eine Geschichte, die aus einer flachen Patchwork-Beschreibung steigt und zu einem kleinen realen Krimi wird. An einigen Stellen merkt man, dass mit der flachen Story vom Anfang etwas nicht ganz mit rechten Dingen zugeht. Hätte man die Möglichkeit der Kontexte nicht, müsste man an jede dieser Stellen eine Notiz einfügen. Nur fehlte dann trotzdem der Zusammenhang.
»Ich verrate Ihnen etwas …«, (1) sagt Figlia Due in der Geschichte und das ist einer dieser Momente. Wir wollen uns diese Stelle merken. Also positionieren wir den Cursor dort im Text und klicken auf den Button für die Kontexte (2). Das Kontextfenster (3) öffnet sich, beim ersten Mal ist es leer.
Ein Kontext (4) ist ein Überbegriff für zusammenhängende Geschichtenteile, sozusagen ein Ordner, wie vorhin gesagt eine Sammelschachtel. Bevor wir ihm unseren Textteil zuordnen können, müssen wir diesen Kontextordner anlegen. Wir klicken also auf den dafür vorgesehenen Knopf (5) und geben in dem folgenden Dialog ›Vorahnungen‹ ein, womit der Ordner angelegt und auch gleich beschriftet wird. Ist der Ordner schon vorhanden, können wir bei einem weiteren Mal mit dem nächsten Schritt fortfahren:
Wir ordnen unsere Textstelle dem Kontext Vorahnungen zu. Ein Klick auf den Button (6) und der Eingabedialog (7) öffnet sich. Spätestens jetzt taucht der Cursor-Marker (das rote Plus neben (1)) auf, damit wir sehen, wo wir den Kontextbezug im Text verankern. Gleichzeitg ist die neue Kontextzeile (8) bereits angelegt worden, die in der Spalte Kontext/Fundort auf die Szene verweist, in der sich der Text befindet. In dem Dialog geben wir einen kurzen (!) Kommentar ein, worum es geht. Hier plaudert Figlia Due etwas zur Vorahnung aus. Mit [Enter] oder Klick auf [Ok] wird die Zeile vervollständigt (8).
Der Umgang mit Kontexten
… ist simpel: Das Fenster lässt sich jederzeit über die Schaltfläche (2) abrufen; man kann aber auch im Text einfach auf den Pin klicken, womit man sogar direkt zu diesem Kontextverweis gelangt.
Kontextreferenzen lassen sich mit der Maus verschieben, um die Reihenfolge zu verändern. Mit einem Doppelklick auf die Kontextzeile (8) gelangt man direkt zu dieser Textstelle. Den Infotext kann man jederzeit ändern, indem man ihn überschreibt.
Rechts neben Knopf (6) ist die Schaltfläche zum Löschen von Kontextzuordnung und, wenn der Ordner leer ist, auch des Kontexts selbst. Der Pfeil daneben bewirkt dasselbe wie ein Doppelklick auf die Kontextzeile: in den Text springen. Und mit der Schaltfläche mit den Linien kann man sich auch mehrzeilige Kontext-Infotexte anzeigen lassen. Lange Infotexte sollte man aber vermeiden, in der Kürze liegt die Würze – auch wenn man etwas nachdenken muss, immer eine gute Übung.
Figurenwissen
Auf die Idee zu dieser Erweiterung brachte mich Richard Nordens Artikel »Wer darf was wann wissen – und was weiß der Leser?« Schon während des Lesens wurde ich mir dieser praktischen Erweiterung der Kontexte bewusst. Bereits in Version 1.63 gab es deshalb das ›Figurenwissen‹. Diese Kontexterweiterung ermöglicht die Angabe, wann wer von dem Kontext erfährt. Dabei kann ›wer‹ jede angelegte Figur sein und auch der Leser.
Auf diese Weise kann man eben mal nachsehen, wer bereits schon von etwas wusste oder wann jemand davon erfährt. Wer bereits etwas wusste bezieht sich auf den Anfang der Geschichte. So weiß zum Beispiel die Mutter von der Geburt ihrer Tochter und der Freund vom aktuellen Wohnort des Protagonisten. Der Leser hingegen weiß noch gar nichts, wenn er das Buch zur Hand nimmt. Aber auch Figuren erfahren vieles erst im Verlauf der Geschichte und es ist oft ausschlaggebend, wann eine Figur davon erfährt. Speziell bei kniffligen Geschichten wie Krimis spielt das eine große Rolle.
Los geht es, indem man mindestens eine Figur in den Kontextbereich zieht; einfach links in der Figurenliste nehmen und irgendwo im Kontextfenster fallen lassen (1). Die Spalte ›Leser‹ (2) wird mit der ersten Figurenspalte automatisch miterzeugt. Jede Figur, die man so herüberzieht, erhält ihre eigene Spalte. Wir ziehen aber nur die Figuren in die Kontexte, die für diese Übersicht infrage kommen.
Für die Arbeit ist es übersichtlicher, alle Kontexte zuzuklappen (ein + vor jedem Kontext). Denn die Angaben betreffen üblicherweise den Kontext selbst und nur selten die Referenzzeilen, wie bei unserem Tatort-Beispiel.
Nun geht es um zwei Aspekte:
- Weiß eine Figur bereits von dem Kontext (vor der Geschichte?)
- In welcher Szene erfährt die Figur (der Leser) davon?
Der Leser wird immer nur durch die Geschichte davon erfahren, für ihn kommt a) nie in Betracht.
Die Durchführung selbst der zwei Kennzeichnungen ist einfach. Wenn eine Figur bereits zu Beginn der Geschichte davon weiß, dann stellen wir uns auf diese Zelle in der Matrix Kontext/Figur und drücken auf die Leertaste. Damit wird ein Haken in der Zelle eingetragen (3). Auf die gleiche Weise machen wir eine Zelle auch wieder leer.
Wenn eine Figur / der Leser erst im Lauf der Geschichte davon erfährt, dann ziehen wir diese betreffende Szene aus der Kapitelübersicht auf die Zelle (4). Da in einer Zelle wenig Platz zur Verfügung steht, kann man, um einen ausführlicheren Hinweis zu erhalten, auf die Zelle klicken. Dann wird in der nun erschienenen zweiten Fußzeile die ganze Herkunft angezeigt (5). Im konkreten Fall ist es das Kapitel ›3D‹ und darin das Unterkapitel ›Frühstück‹.
Wenn in einer Zelle ein solcher Szenenverweis steht, kann man durch Doppelklick zur dazugehörenden Szene springen.
Kontexte waren für mich eine der wichtigsten Erweiterungen gegenüber allen anderen Textprogrammen, weshalb sie bereits in Version 1.20 zum Einsatz kamen. Sie werden begeistert sein, wie Kontexte die Sucherei vereinfachen und das Figurenwissen Logikfehler verhindern hilft!