Schreiben als Weg zu passivem Einkommen?

Wenn man die Einnahmen, die man als Autor aus dem Schreiben von Büchern erhält, auf die investierten Arbeitsstunden umlegt, ist das Ergebnis in den meisten Fällen recht ernüchternd – besonders für Autoren, die erst wenige Bücher geschrieben haben und noch keine „alten“ Bücher in der Hinterhand haben, die in einem gewissen Rahmen weiterhin Einnahmen erzielen und so die Bilanz ein wenig zu ihren Gunsten verändern.

Mal im Ernst: Für einen durchschnittlichen Roman von 300-400 Seiten muss man im Schnitt von der ersten Idee bis zum fertigen, veröffentlichungsreifen Manuskript mindestens 400-600 Stunden Arbeit rechnen. Und das ist noch eine recht optimistische Schätzung – je nach Buch kann der Aufwand in Stunden durchaus auch mal im vierstelligen Bereich landen.

Doch selbst mit „nur“ 500 Stunden reden wir von einer üppigen Zeitinvestition. Selbst wenn man diese Stunden nur mit dem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 € multipliziert, kommt man auf über 4.000 €, die ein solcher Roman einbringen müsste, um den Autor für seine Arbeit zu entlohnen. Vergleicht man das mit den realen Tantiemen, die im Laufe der ersten Monaten nach und nach eintrudeln, ist einem meist nicht gerade zum Jubeln zumute.

Doch in der Praxis tut man sich mit einer solchen Betrachtungsweise keinen Gefallen – schließlich will man sich ja nicht mit Gewalt demotivieren. Besser ist, das Schreiben von Büchern als „Zeitinvestition“ zu betrachen, ähnlich wie man Geld auf die hohe Kante legt, um dafür später von der Bank Zinsen zu erhalten. Wobei das mit den Zinsen für reales Geld in letzter Zeit ja alles andere als rosig aussieht: Nicht nur, dass man so gut wie keine Zinsen für sein Guthaben mehr bekommt, Firmen müssen teils sogar „Strafzinsen“ zahlen, wenn sie ihr Geld auf der Bank liegen lassen. Verkehrte Welt…

Im Gegensatz zu Geld kann man Zeit normalerweise nicht ansparen – jedenfalls nicht in der Form, dass man sein Guthaben irgendwann einmal abheben könnte und dann „mehr Zeit“ zur Verfügung hätte. Doch als Autor kann man seine Zeit zumindest investieren und dafür nach und nach Zinsen in Form von Geld erhalten.

„Passives Einkommen“ für Autoren – Traum oder Realität?

In den letzten Jahren ist das Schlagwort „passives Einkommen“ in aller Munde – oft auch im Zusammenhang mit dem Schreiben von Büchern. Die Idee dahinter ist ganz einfach: Man schreibt ein Buch und veröffentlicht es, um anschließend lebenslänglich Tantiemen dafür zu kassieren, ohne dass man dafür noch einen Finger krumm machen muss – also „passives“ Einkommen im Gegensatz zum normalen Brotjob, in dem man nur bezahlt wird, solange man weiterhin tagtäglich für den Chef bzw. die Firma arbeitet.

Die schlechte Nachricht vorab: Tantiemen sind nicht wirklich passiv, da man als Autor permanent Werbung in der einen oder anderen Form machen muss, um Bücher zu verkaufen. Selbst die besten Bücher verkaufen sich nicht von alleine – vielleicht von wenigen Ausnahmen abgesehen, die mittlerweile so bekannt sind, dass sie auch ohne Werbung in aller Munde bleiben.

Und es gibt in Sachen „passives Einkommen für Autoren“ noch eine weitere schlechte Nachricht: Bücher zu verkaufen ist wie das Auspressen einer Zitrone. Egal, wie saftig diese anfangs sein mag – irgendwann ist sie ausgepresst und man braucht immer mehr Kraft, um zumindest noch ein paar Tropfen herauszukitzeln.

Beim Buch ist das der Fall, wenn der Markt gesättigt ist und ein immer größerer Anteil der Zielgruppe das Buch bereits gekauft hat. Natürlich kommen immer neue Leser nach, aber das geht zu langsam, um den Kohl wirklich fett zu machen.

Also muss man als Autor kontinuierlich neue Bücher schreiben und veröffentlichen, die noch frisch und saftig sind und mit wenig Druck (= Marketing) viel Saft abgeben.

Wenn die neuen Bücher auf dieselbe Zielgruppe wie die bisherigen Bücher des Autors ausgerichtet sind, lassen sie sich leichter verkaufen, da die Leser bereits den Autor, seinen Stil und die Qualität seiner Bücher kennen. Außerdem bietet jedes zusätzliche Buch weitere Chancen, neue Leser zu finden, die dann mit Glück auch noch zu den älteren Büchern des Autors greifen, die sie bisher noch nicht kannten.

Wie jedes Produkt haben auch Bücher einen Lebenszyklus: Ausgehend vom Nullpunkt (das Buch ist ganz frisch erschienen, niemand kennt es und niemand hat es bisher gekauft) erfolgt durch gezieltes Marketing anfangs ein starker Anstieg, den man als Autor durch weitere Marketingmaßnahmen möglichst lange am Abflachen zu hindern versucht. Doch egal, wie sehr man sich bemüht: irgendwann folgt das Absinken auf einen niedrigen Stand, auf dem man dann das Marketing auf ein Minimum reduzieren sollte, da es schlicht und einfach den Aufwand nicht mehr lohnt.

Das Marketing für die alten Bücher, die nur noch auf einem niedrigen Stand vor sich hin dümpeln, übernehmen idealerweise die bis dahin erschienenen neueren Bücher des Autors – beispielsweise durch eine Auflistung „Weitere Bücher des Autors“ am Ende jedes Buchs oder auch die AuthorCentral-Seite des Autors, auf der er all seine Bücher präsentieren kann.

Das Erscheinen eines neuen Buchs, das (noch) in seiner Umsatz-Blüte steht, kann alten Titeln vorübergehend nochmal neues Leben einhauchen, auch wenn es sie üblicherweise nicht mehr auf den alten Stand anheben kann. Die einzige Ausnahme wäre ein eher erfolgloses erstes Buch, das durch den Bestseller-Nachfolgeband erst richtig bekannt wird.

Da sich auch die alten Bücher gegenseitig fördern, wird der niedrige „Dümpelstand“ im Laufe der Jahre immer höher. Das kann man als Autor sogar noch forcieren, indem man ab und zu eine überarbeitete Neuauflage seiner alten Bücher veröffentlicht, in der man Querverweise (selbst wenn es nur durch eine aktualisierte und erweiterte Auflistung „Weitere Bücher des Autors“ ist) zu den neueren Titeln einarbeitet.

Je mehr parallel erhältliche (also noch bestellbare) Bücher man als Autor auf dem Markt hat, desto mehr wird das Marketing bei gleichbleibender Qualität und zufriedenen Lesern von den Büchern selbst übernommen und man kommt somit dem Ideal eines „passiven Einkommens“ etwas näher.

Dennoch darf man sich als Autor natürlich auch dann nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen, sondern muss weiterhin kontinuierlich immer wieder neue Titel schreiben und veröffentlichen. Denn wer nichts Neues mehr veröffentlicht, gerät bei den Lesern rasch in Vergessenheit – und das hat auch negative Auswirkungen auf die Verkaufszahlen der bereits erschienenen Bücher.

Tantiemen als Zinsen für die investierte Zeit

Die motivierendste (und daher beste) Sichtweise ist, die Einnahmen aus dem Schreiben nicht als Verkaufserlös, sondern als Zinsen für die investierte Zeit zu betrachten. Denn bei dieser Betrachtung muss man sich nicht unbedingt als „Billiglöhner“ betrachten, sondern kann durchaus mit seinem normalen „Stundenlohn“ kalkulieren.

Ein kleines Rechenbeispiel: Anja Autor ist in ihrem Beruf als Exportkauffrau recht erfolgreich. Mit einer 40-Stunden-Woche verdient sie im Monat 4.000 €, also umgerechnet ca. 25 Euro pro Stunde. Für ihren neuen Roman hat sie von der ersten Idee bis zur Veröffentlichung 400 Stunden gebraucht. Wenn man diese 400 Stunden mit ihrem normalen Stundenlohn aus ihrem „Brotjob“ bewertet, hat sie 400 x 25 €, also 10.000 € in die Entwicklung ihres Roman investiert.

Bei einem eBook-Verkaufspreis von 2,99 € und 70% Tantiemen müsste Anja ca. 6.000 Exemplare ihres Romans verkaufen, um ihre Investition wieder hereinzuholen. Das schaffen allerdings leider die wenigsten Romane, bevor der erste Erfolg abflacht und die Bücher nur noch auf einem eher niedrigen Verkaufsniveau vor sich hin dümpeln.

Betrachten wir die 10.000 € also lieber als eine Kapitalanlage, die man festverzinslich anlegt. Ein Zinssatz von 5% wäre für eine solche Kapitalanlage schon sehr gut – das entspräche Zinsen in Höhe von 500 Euro pro Jahr. Üblicherweise kann man mit 2-3% schon sehr zufrieden sein – in der aktuellen Niedrigzinsphase gehen die realen Zinsen sogar eher gegen Null.

Wenn Anja langfristig (also auch nach Jahren, wenn der erste Boom abgeflacht ist) noch 500 € pro Jahr mit ihrem Roman verdient (entspricht bei 2,99 € und 70% Tantiemen ca. 300 verkauften Exemplaren, also knapp einem Buch pro Tag), hat sie mit dem Schreiben ihres Romans ihr geistiges Kapital gut investiert.

Bei einer solchen Kalkulation sollte man natürlich die ersten Erfolge von der investierten Zeit abziehen. Wenn Anja beispielsweise im ersten Jahr 1000 Exemplare ihres Romans verkauft, wären das Tantiemen in Höhe von ca. 1750 € – bleiben also nur noch 8.250 €, die als „Investition“ über die nächsten Jahre weiter verzinst werden müssen. Entsprechend weniger Bücher müsste sie in den folgenden Jahren noch verkaufen, um die gewünschten 5% Zinsen auf ihr „geistiges Kapital“ zu erhalten.

Ich habe mal spaßeshalber eine kleine Tabelle aufgebaut, aus der man ablesen kann, welchem „Zinssatz für geistiges Kapital“ es entspricht, wenn Anja aufgrund ihrer Zeitinvestition von 400 Stunden in den folgenden Jahren jeweils X Bücher pro Jahr mit Tantiemen in Höhe von 1,75 € (also 70% von 2,99 € abzgl. MwSt) verkauft:

100 Bücher pro Jahr = 175,00 € (entspricht 1,8% Zinsen)
150 Bücher pro Jahr = 262,50 € (entspricht 2,6% Zinsen)
200 Bücher pro Jahr = 350,00 € (entspricht 3,5% Zinsen)
250 Bücher pro Jahr = 437,50 € (entspricht 4,4% Zinsen)
300 Bücher pro Jahr = 525,00 € (entspricht 5,3% Zinsen)
350 Bücher pro Jahr = 612,50 € (entspricht 6,1% Zinsen)
400 Bücher pro Jahr = 700,00 € (entspricht 7,0% Zinsen)
450 Bücher pro Jahr = 787,50 € (entspricht 7,9% Zinsen)
500 Bücher pro Jahr = 875,00 € (entspricht 8,8% Zinsen)

Fazit

Natürlich ist auch eine solche Betrachtung nichts anderes als ein Gedankenspiel, aber dennoch ein recht motivierendes.

Wenn wir 400 Stunden (oder wievielen Stunden Ihrer persönlichen Zeit 10.000 € entsprechen mögen) investieren, um in dieser Zeit ein Buch zu schreiben und zu veröffentlichen, kommen uns Verkaufszahlen von 30 Büchern im Monat ziemlich gering vor. Bei dem Tempo dauert es ja fast ein ganzes Jahr, bis auch nur Einnahmen in Höhe von 500 € zusammen kommen. Das ist natürlich Welten von den gerne in der Öffentlichkeit präsentierten Verkaufszahlen einer Amanda Hocking, eines James Patterson oder einer J.K. Rowling entfernt und erscheint einem schon fast als „Peanuts“.

Doch wenn wir uns klar machen, dass wir mit diesen Verkaufszahlen Zinsen in Höhe von stolzen 5% auf unser „geistiges Kapital“ ausbezahlt bekommen, erscheint einem das schon gar nicht mehr so gering.

Ganz im Gegenteil: Es motiviert einen, ein weiteres Buch zu schreiben und zu veröffentlichen und damit weitere 10.000 € virtuelles geistiges Kapital auf die hohe Kante zu legen, damit die in Form von Tantiemen ausbezahlten Zinsen im nächsten Jahr mit etwas Glück schon doppelt so hoch sind.

Lassen Sie sich diese Sicht mal in aller Ruhe durch den Kopf gehen. Rechnen Sie mal in Ruhe aus, wie viel Tantiemen Sie zur Zeit pro Jahr aus den Verkäufen von Büchern erhalten, die Sie bereits vor mehr als einem Jahr veröffentlicht haben. Wenn Sie diesen Betrag mit 20 multiplizieren, erhalten Sie den aktuellen Kontostand Ihres „geistigen Kapitals“, auf das Sie zur Zeit 5% Zinsen in Form von Tantiemen erhalten.

Notieren Sie sich ab jetzt, wie viele Stunden Sie in Ihre neuen Buchprojekte investieren. Sobald das Buch fertig geschrieben und veröffentlicht ist, dürfen Sie die für das Schreiben dieses Buchs aufgewendeten Stunden mit Ihrem kalkulatorischen Stundenlohn multiplizieren und als Einzahlung zu Ihrem „geistigen Kapital“ dazu addieren.

Vielleicht werden auch Sie feststellen, dass dieses Gedankenspiel Sie motiviert, noch fokussierter als bisher an Ihren Buchprojekten zu arbeiten und diese konseqent bis zur Veröffentlichung durchzuziehen, statt sie auf halbem Wege zur Veröffenltichung in der Schublade oder in einem Ordner auf Ihrer Festplatte verstauben zu lassen – denn nur veröffentlichte Bücher, die auch Tantiemen einbringen können, zählen zu Ihrem „geistigen Kapital“. ;-)


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