Schreiben mit dem Windows-Tablet – Scrivener für die Jackentasche?

Der Gedanke, einen Schreibcomputer in der Jackentasche dabei zu haben, klingt für die meisten Schriftsteller äußerst reizvoll. Schließlich schreibt kaum noch jemand die Rohfassung seiner Manuskripte von Hand und überträgt sie erst später bei der Revision in den Computer – obwohl auch das seine Vorteile haben kann.

Der naheliegendste Gedanke ist dabei das Smartphone, das man schließlich immer und überall dabei hat. Doch in der Praxis scheitert dies meist schon am relativ kleinen Bildschirm, der für das Schreiben längerer Texte nicht gerade optimal ist.

Netbooks sind zwar verglichen mit ihren großen Brüdern, den Laptops, klein und handlich – aber trotzdem immer noch viel zu groß und schwer, um sie jederzeit mit sich herum zu schleppen.

Was bleibt, sind Tablet-Computer – und zwar bevorzugt die kleinen, handlichen 7″-Geräte, die kaum größer als eine Brieftasche sind und damit in jede Jacken-Innentasche passen.

Auch wenn die „Phablets“ (ein Mischwort aus „Phone“ und „Tablet“, das für Smartphones mit mindestens 6″ großem Display steht – also quasi ein Mini-Tablet, mit dem man auch telefonieren kann) definitiv auf dem Vormarsch sind, finde ich persönlich alles über 5″ Diagonale fürs Telefonieren zu unhandlich, so dass die Trennung zwischen Telefon und Tablet aus meiner Sicht auch weiterhin sinnvoll ist.

Auch wenn ich persönlich zum Telefonieren nie auf ein Windows-Phone wechseln würde, stellt sich in Sachen Tablet also immer noch die Frage: Android oder Windows?

Ich verwende mein Android-Tablet gerne, um unterwegs oder auch abends in der Couch Texte zu schreiben oder zu überarbeiten. Dennoch ist ein solches Android-Tablet natürlich nicht dasselbe wie ein großer Windows-PC. Apps wie Jotterpad sind zwar ein adäquater Ersatz für Zenware-Schreibprogramme wie FocusWriter oder WriteMonkey und auch Online-Tools wie Checkvist lassen sich problemlos nutzen, doch es fehlen natürlich „richtige“ Schreibprogramme wie Scrivener oder yWriter.

Und da sind wir auch schon bei dem Punkt, an dem ich anfing, mich für ein Windows-Tablet zu interessieren. Denn glücklicherweise ist Microsoft ja von dem Holzweg mit seinen nur auf Apps ausgelegten „Windows RT“-Tablets/Netbooks abgekommen, sondern setzt mittlerweile auch für Tablets auf ein vollwertiges Windows-Betriebssystem.

Somit laufen auf einem Windows-Tablet (abgesehen von der meist relativ schwachbrüstigen RAM- und Festplattenspeicher-Ausstattung) theoretisch dieselben Programme wie auf dem großen PC: Scrivener, Jutoh, WriteMonkey – wohl jeder Schriftsteller hat hier seine persönlichen Favoriten, die er gerne auch unterwegs verwenden würde.

Daher habe ich mich mal nach einem Windows-Tablet fürs mobile Schreiben umgesehen und bin letztendlich im Microsoft-Store beim „HP Stream 7“ gelandet.

Natürlich gibt es größere und leistungsstärkere Tablets bis hin zu den High-End-Geräten aus Microsofts Surface-Reihe, doch mir ging es in erster Linie um ein handliches, kleines Gerät, das ich auch in meinem Sakko oder meiner Lederjacke verstauen kann. Geräte mit 9″ oder gar 10″ sind natürlich komfortabler zu bedienen – doch dafür wird man sie aufgrund ihrer Größe nicht mehr immer und überallhin mitnehmen. Und zuhause kann ich auch zum Laptop oder Netbook greifen, der durch seine vollwertige Tastatur fürs Schreiben immer besser geeignet ist als ein Tablet.

Unter den 7″-Geräten ist das „HP Stream 7“ eine gute Wahl: mit einem Preis von gerade mal 99 Euro inklusive Mehrwertsteuer und kostenlosem Versand kostet der kleine Tablet-PC nur einen Bruchteil dessen, was man für ein Gerät aus der Surface-Reihe hinlegen müsste.

Dennoch hat HP bei der Hardware-Ausstattung nicht am falschen Ende gespart: Das IPS-Display hat mit 1280×800 Bildpunkten eine angenehm hohe Auflösung, zudem verfügt das Gerät über einen recht schnellen Quad-Core-Prozessor. Der RAM-Speicher ist zwar mit lediglich 1 GB relativ gering gehalten, doch für die Arbeit mit Schreib- oder Office-Programmen ist dies völlig ausreichend.

Einer der Hauptpunkte, die für das Stream 7 sprechen, ist der üppige interne Speicher von 32 GB (das Pendant zur internen Festplatte normaler PCs). Hier bieten andere Windows-Tablets oft nur 16 GB, die nach der Einrichtung von Windows mit allen Updates und Programmen auch schon fast voll sind. Das Stream 7 bietet hingegen mehr als genügend Platz, um auch noch alle benötigten Schreibprogramme zu installieren.

Für die eigenen Dokumente ist man dabei nicht unbedingt auf den internen Speicher angewiesen: Wenn man die rückseitige Klappe entfernt, kann man in das HP Stream 7 zusätzlich eine Micro-SD-Speicherkarte mit bis zu 32 GB einlegen, die genügend Platz für Texte und Arbeitsunterlagen bietet.

Doch damit kommen wir auch schon zu einem kleineren Knackpunkt: Dropbox. Denn Dropbox erkennt die eingelegte Speicherkarte nicht als weitere Festplatte, sondern nur als externen Speicher – und auf diesem kann man kein Dropbox-Verzeichnis anlegen.

Wer also eine etwas größere Dropbox hat, sollte lediglich ganz gezielt die Arbeitsverzeichnisse mit dem Tablet synchronisieren, die er unterwegs wirklich braucht – denn sonst schaufelt Dropbox einem sehr schnell den ansonsten mehr als ausreichenden internen Speicher zu.

Doch wie laufen die Schreibprogramme, die man vom PC gewohnt ist, auf dem kleinen Tablet?

Zunächst einmal sollte man, wenn man keine Adleraugen hat, die Darstellung der Schriftarten auf dem Stream 7 etwas vergrößern, denn durch die Kombination aus kleinem Bildschirm und hoher Auflösung ist diese in der Grundeinstellung so winzig, dass die Arbeit auf Dauer recht anstrengend für die Augen ist, wenn man die Schriftgröße nicht etwas größer einstellt.

Die Installation von Programmen wie Scrivener ist wie erwartet recht unproblematisch – schließlich ist das Stream 7 ein vollwertiger kleiner Windows-PC, nur ohne Tastatur.

Und hier wird es dann kniffelig. Denn im Gegensatz zu den Windows-Apps aus Microsofts App-Store, die für eine Bedienung per Touchscreen optimiert sind, sind klassische Windows-Programme wie Scrivener & Co. auf eine Bedienung per Maus und Tastatur ausgelegt.

Natürlich kann man eine externe Maus und eine Bluetooth-Tastatur anschließen und hat dann für kleines Geld einen Mini-Laptop, doch ich sehe den Hauptvorteil eines Tablets darin, dass man es unterwegs benutzen kann – also ohne externe Tastatur oder Maus.

Tipp: Standardtastatur aktivieren

Scrivener am Tablet

Da die normale Bildschirmtastatur von Windows 8.1 mehr auf das Schreiben von Mails und das Surfen im Internet als auf das Bedienen von Windows-Programmen ausgerichtet ist, fehlen hier nicht nur die Funktionstasten, sondern auch diverse andere Tasten wie die Windows-Taste, die Alt-Tasten und sogar die Tasten für die Umlaute. Letztere müssen standardmäßig wie unter Android durch längeres Drücken auf den normalen Vokal aus einem Popup-Menü ausgewählt werden.

Wenn man am Tablet also wirklich schreiben will, sollte man unbedingt das Standard-Tastaturlayout aktivieren, das all diese Tasten enthält. Doch leider ist dieses in Windows recht gut versteckt, so dass die meisten Anwender nicht einmal etwas von seiner Existenz wissen.

Um das Standard-Tastaturlayout zu aktivieren, geben Sie in der Windows-Suche „Standardtastaturlayout“ ein und klicken die entsprechende Option an. Schieben Sie in den Optionen unter „Bildschirmtastatur“ den unteren Regler auf „Ein“ (siehe rote Markierung auf dem Screenshot).

Anschließend können Sie bei der Bildschirmtastatur unten rechts (direkt über dem Befehl „Tastatur ausblenden“) das Standardlayout aktivieren (das Symbol ganz rechts).

Durch die zusätzlichen Tasten sind die einzelnen Tasten zwar noch etwas kleiner als bei der ’normalen‘ Bildschirmtastatur, aber gerade im Querformat lässt es sich trotzdem noch sehr gut bedienen.

Auch die gewohnten Funktionstasten der normalen PC-Tastatur lassen sich übrigens über die Taste „Fnkt“ vorübergehend einblenden. Somit hat man dann also wirklich eine vollwertige Tastatur auf dem Bildschirm.

Scrivener am Tablet

Mit der Standardtastatur-Variante lassen sich auch die Menüs der Programme wesentlich einfacher bedienen als per Touchscreen. Denn um die Menüs auf dem kleinen Tablet mit den Fingern zu bedienen, braucht man kleine, schlanke Finger mit viel Fingerspitzengefühl oder eine hohe Frustrationstoleranz. Wer etwas größere Hände hat, kommt sich beim Versuch, kleine Icons oder Menüeinträge anzuklicken, oft vor wie bei dem Versuch, mit Fausthandschuhen ein Puzzle zusammenzusetzen. ;-)

Aber wenn man erst einmal am Schreiben ist, benutzt man ohnehin mehr die Bildschirmtastatur als die Menüs.

Scrivener am TabletUnd damit kommen wir zum nächsten Knackpunkt. Die Windows-Bildschirmtastatur ist zwar (wie bei Microsoft nicht anders zu erwarten) gut durchdacht, aber nicht mit den modernen Android-Bildschirmtastaturen zu vergleichen.

Eine komfortable Wisch-Eingabe wie bei Swype, SwiftKey oder der Google-Tastatur für die schnelle und fließende Texteingabe gibt es hier nicht – man muss schon Taste für Taste drücken. Da die Microsoft-Bildschirmtastatur unter Windows 8.1 sehr eng mit dem Betriebssystem verknüpft ist, ist es auch nicht möglich, einfach eine andere Bildschirmtastatur zu installieren.

Der zweite Nachteil der Bildschirmtastatur ist natürlich, dass sie einen relativ großen Teil des Bildschirms einnimmt.

Verwendet man das Stream 7 hochkant wie ein Blatt Papier, hat man mit einem Schreibprogramm wie FocusWriter oder WriteMonkey einen ausreichend großen Arbeitsbereich. Die Tastatur ist auch im Hochkant-Modus groß genug, um sie angenehm bedienen zu können.

Kritisch hingegen wird es bei Programmen wie Scrivener, die man meist eher im Querformat-Modus wie an einem klassischen Monitor verwenden wird. Hier verdeckt die Windows-Bildschirmtastatur einen so großen Bereich des Bildschirms, dass man nur noch einen relativ geringen Bildschirmausschnitt sehen kann (siehe Screenshot oben).

Natürlich kann man die Bildschirmtastatur jederzeit ein- und wieder ausklappen, aber ein wirklich flüssiges Arbeiten ist so gerade beim Arbeiten mit der Pinwand oder Gliederung kaum möglich.

Der Haupt-Nachteil ist wie bereits erwähnt jedoch die fehlende Wisch-Eingabe. Während man unter Android mit Swype oder Swiftkey durchaus auf Tippgeschwindigkeiten von 20-30 Wörtern pro Minute kommen kann, ist man am Windows-Tablet deutlich langsamer, da man jeden Buchstaben einzeln antippen muss.

Auch Wortvorschläge, wie sie bei Android-Tastaturen gang und gäbe sind, sucht man bei der Windows-Tastatur leider vergeblich.

Fazit: Lohnt sich ein Windows-Tablet für Schriftsteller?

Die Entscheidung, was das richtige Tablet fürs mobile Schreiben ist, muss letztendlich jeder Schriftsteller für sich alleine treffen.

Ein klarer Vorteil des Windows-Tablets ist die Möglichkeit, klassische Windows-Schreibprogramme auch mobil auf dem Tablet nutzen zu können.

Allerdings ist die Bedienbarkeit schlechter als bei Android-Tablets – nicht zuletzt durch das Fehlen einer Wisch-Eingabe wie bei Swype/SwiftKey. Auch das Diktieren von Texten, das unter Android bei den meisten Bildschirmtastaturen direkt integriert ist, ist unter Windows nur recht umständlich möglich.

Ein weiterer Nachteil ist die geringe Anzahl guter Apps für Schriftsteller in Microsofts App-Store. Apps haben gegenüber Desktop-Programmen wie Scrivener den klaren Vorteil, dass sie auf kleine Bildschirme mit geringerer Bildschirmauflösung ausgelegt und für die Bedienung per Touchscreen optimiert sind. Sie setzen auf leicht bedienbare Icons und Symbolleisten statt auf fitzelige Windows-Menüs – doch hier macht sich wie gesagt der Rückstand von Windows gegenüber Android deutlich bemerkbar.

Auch die Dropbox-Anbindung auf dem Windows-Tablet ist eine zweischneidige Angelegenheit: Aufgrund des relativ geringen internen Speichers (die SD-Karte kann nicht für Dropbox genutzt werden!) wird man höchstens einzelne Arbeitsverzeichnisse gezielt zwischen PC und Tablet synchronisieren, und auch dafür muss Dropbox als Hintergrundprozess laufen.

Da Android noch nie eine vollständige Dropbox-Synchronisation hatte, sondern lediglich auf die einzelnen in der Cloud gespeicherten Dateien zugreifen kann, sind die App-Entwickler hier erfinderischer geworden: Statt alle Daten aus der Dropbox (oder einzelnen Verzeichnissen) zwischen Android und Dropbox zu synchronisieren, gibt man einzelnen Apps wie Jotterpad die Berechtigung für Schreib-/Lese-Zugriff auf die eigenen Dropbox-Verzeichnisse.

Wenn ich mich daher entscheiden müsste, entweder ein Android-Tablet oder ein Windows-Tablet zum Schreiben zu benutzen, würde die Entscheidung wohl zu Gunsten des Android-Geräts ausfallen.

Doch als zusätzliche Option „in der Westentasche“ ist das Windows-Tablet eine feine Sache. Manchmal will man eben statt mit einer App doch lieber mit Scrivener, yWriter oder einer anderen Windows-Anwendung arbeiten. Und dann ist es äußerst praktisch, schnell mal den kleinen 99-Euro-PC hochfahren zu können.


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