Die Todesspirale bei Romanserien – und wie man sie vermeidet

Bei den meisten Romanserien ist es so, dass alle Bände der Serie denselben Protagonisten haben. Dieser Ansatz hat sowohl Vor- als auch Nachteile.

Die Vorteile scheinen auf den ersten Blick offensichtlich: Der Leser hat eine Identifikationsfigur, die er (hoffentlich) ins Herz schließt und mit der er mitfiebert. Und wenn ihm die Geschichte gefallen hat, wird er es hoffentlich kaum erwarten können, weitere spannende Abenteuer desselben Helden zu erleben.

Doch hier beginnen auch schon die Nachteile, denn das Potential einer solchen Serie ist von Natur aus beschränkt. Romane ziehen einen guten Teil ihres Reizes daraus, dass der Protagonist im Laufe der Handlung wächst, seine Schwächen überwindet, seine inneren Dämonen und Ängste besiegt und schließlich aufgrund seiner erfolgreichen Transformation den Sieg davonträgt.

Das funktioniert wunderbar bei einem Einzelroman und es funktioniert auch bei einer in sich geschlossenen Romanserie aus mehreren, aufeinander aufbauenden Bänden wie zum Beispiel den Harry-Potter-Büchern von J.K. Rowling.

Auch wenn es sich in diesem Fall um sieben einzelne Romane handelt, von denen jeder sein eigenes Finale hat, werden diese dennoch durch einen übergreifenden Handlungsbogen (Harry Potter muss versuchen, die Rückkehr von Lord Voldemort zu verhindern) zu einer in sich geschlossenen Saga verknüpft.

Das merkt man auch den einzelnen Bänden an, denn obwohl Harry und seine Freunde in jedem der ersten sechs Bände einen wichtigen Teilsieg davontragen, ist dennoch stets klar, dass sie zwar eine Schlacht, aber noch nicht den kompletten Krieg gewonnen haben.

Genauso verteilt sich auch das Wachstum von Harry Potter vom verschüchterten Jungen, der bei seinen Muggel-Verwandten in einem kleinen Verschlag unter der Treppe hausen muss, zum mächtigen und entschlossenen Zauberer, der sich seinem Schicksal stellt, um den dunklen Lord im Kampf Mann gegen Mann ein für allemal zu besiegen, auf sieben Bände.

Trotz der geschickt gewählten Struktur (je Band ein Schuljahr) handelt es sich bei Harry Potter um eine durchgängige Handlung. Bereits im ersten Band ist klar, dass es erst im letzten Band der Serie zur alles entscheidenden letzten Konfrontation zwischen Harry und Lord Voldemort kommen wird.

Die Sache sieht jedoch schon anders aus, wenn es sich um eine Serie weitgehend voneinander unabhängiger Einzelbände handelt, von denen jeder eine in sich abgeschlossene Handlung hat: Der Protagonist gerät in ein Abenteuer, übersteht verschiedene Gefahren und schafft es am Ende, sein Ziel zu erreichen.

Viele Serien unterschiedlicher Genres basieren auf diesem Modell. Nicht nur die ganzen Krimi- und Thrillerserien von Miss Marple über Alex Cross bis hin zu James Bond, sondern auch beispielsweise die zahllosen Fantasy-Abenteuer rund um Conan, den Barbaren, und andere Seriencharaktere.

Schon aufgrund der Natur einer solchen Serie haben wir hier jeweils einen statischen Protagonisten, der sich im Laufe der Serie nicht (oder kaum) weiterentwickelt. Das Problem ist dasselbe wie bei den Superhelden-Comicserien: Nach einer ersten „Genesis“-Geschichte, in der der Protagonist vom Normalsterblichen zum Superhelden mutiert und seine neu erlangten Fähigkeiten sogleich im Kampf gegen einen gefährlichen Gegner erproben muss, bleiben die Fähigkeiten des Superhelden im Laufe der Serie meist konstant. Denn schließlich wäre es nach den ersten paar Bänden kaum noch möglich, den Helden im Kampf gegen immer mächtigere Gegner immer weiter wachsen und stärker werden zu lassen, ohne ihm irgendwann geradezu gottgleiche Kräfte zu verleihen. Selbst wenn der Autor das versuchen würde, könnte sich schon bald kein Leser mehr mit dem Helden identifizieren. Denn beim Lesen identifizieren wir uns nicht mit den Stärken des Protagonisten, sondern in erster Linie mit seinen Schwächen.

Ein statischer Protagonist hat feste Stärken, aber auch feste Schwächen, die er im Laufe der Serie niemals überwinden wird und die für den Leser fest zur Persönlichkeit des Helden dazu gehören. Denken Sie nur an Indiana Jones und seine Angst vor Schlangen.

Solche statischen Helden sind für den Leser eine Konstante. Er weiß, was ihn erwartet – wie bei einem guten Essen, das nur jedes Mal vom Küchenchef etwas anders angerichtet wird. Wir kennen die Zutaten des Rezepts und wissen daher schon, dass es uns schmecken wird.

Wir wissen, dass wir es beim nächsten Bond-Film vermutlich wieder mit einem größenwahnsinnigen Schurken, schönen Frauen, exotischen Handlungsorten und einem souveränen James Bond zu tun bekommen, der sich nicht zuletzt auch auf die technischen Gimmicks aus dem Labor von Q verlassen kann.

Doch dieses Gefühl, zu wissen, was einen erwartet, kann auch zum Nachteil werden. Genau wie Formel-1-Rennen langweilig wurden, als Michael Schumacher nahezu jedes Rennen gewann, und Boxkämpfe ihre Spannung verloren, seit kaum noch ein Gegner sich auch nur über die volle Distanz gegen Klitschko auf den Beinen halten kann, wird es irgendwann langweilig, einen Serien-Veteranen wie Bond oder Conan bei seinem nächsten Abenteuer zu begleiten. Wir wissen, dass unser Held überlebt und am Ende gewinnen wird – egal, wie aussichtslos die Situation auch erscheinen mag. Und wir wissen, dass sich seine Situation durch die Ereignisse des Romans nicht maßgeblich verändern wird, da ähnlich wie bei einer nahtlosen Textur das Ende des aktuellen Bandes stets einen nahtlosen Übergang zum Start des nächsten Buchs bilden muss.

Vielleicht kennen Sie auch noch diese Legespiele für Kinder, bei denen man Bildkarten in beliebiger Reihenfolge legen kann, da die Landschaft im Hintergrund links und rechts immer in derselben Höhe endet. Genau daran erinnern mich manchmal solche episodenhaften Serien: Meist spielt es keine große Rolle, in welcher Reihenfolge man sich die einzelnen Bände zu Gemüte führt. Nicht nur ist jede Handlung in sich abgeschlossen und hat keinen Einfluss auf die nachfolgenden Bände, sondern auch Querverweise zwischen den einzelnen Bänden sind kaum oder gar nicht vorhanden.

Spätestens nach den ersten paar Bänden wird es daher für den Autor auch immer schwieriger, Ideen für weitere Fortsetzungen zu finden, die den Leser immer noch bei der Stange halten können.

Viele Autoren versuchen, dieses Problem durch eine inflationäre Steigerung der Feinde und Hindernisse zu kompensieren. Es steht immer mehr auf dem Spiel – jetzt nicht mehr nur das Leben des Helden oder seiner Familie, sondern das Schicksal einer ganzen Großstadt, eines Landes oder gar der gesamten Menschheit. Die Feinde werden immer größer und mächtiger, die Hindernisse immer unüberwindlicher und die Handlung zugleich immer unrealistischer.

Doch irgendwann ist auch hier das Ende der Fahnenstange erreicht. „Das Schicksal der gesamten Menschheit steht auf dem Spiel!“ ist kaum noch zu toppen – und spätestens wenn der Held zum wiederholten Male zur falschen Zeit am richtigen Ort ist, um im Alleingang die Menschheit zu retten, fällt es auch dem geduldigsten Leser schwer, seinen Unglauben über Bord zu werfen und einfach die adrenalingeladene Action zu genießen.

Ein gutes Beispiel hierfür sind die Romane des australischen Schriftstellers Matthew Reilly. Die bislang fünf Bände (wenn man den Kurzroman „Hell Island“ mitrechnet) seiner Scarecrow-Reihe sind wahre Actiongewitter. Von Band zu Band legt Reilly immer noch eine Schippe Dynamit zu und bei jedem Band fragt man sich als Leser, ob Reilly diese Achterbahnfahrt überhaupt noch toppen kann.

Vermutlich fragt auch Reilly sich das mittlerweile selbst – nicht umsonst versucht er, parallel dazu mit den etwas weniger actionlastigen Captain-Jack-West-Romanen ein zweites Standbein aufzubauen.

Doch wie kann man als Autor diese Spirale stoppen, die auf Dauer nur dazu führen kann, dass man die stetig steigenden Erwartungen seiner Leser nicht mehr erfüllen kann und mit jedem neuen Band zwangsläufig einen Teil seiner treuen Leser verliert?

Eine Möglichkeit besteht natürlich darin, immer nur Einzelromane zu schreiben. Jedesmal ein anderer Protagonist, ein anderes Setting und ein anderer Konflikt, der innerhalb dieses einen Buchs zu einem für den Leser befriedigenden Ende gebracht wird.

Doch damit verschenkt man das Potential einer Serie, die Leser der ersten Bände dazu bringen kann, sich auch noch die Folgebände zu holen, um zu erfahren, wie es weiter geht. Ganz zu schweigen davon, dass die Planung aufwändiger wird, da man nicht mehr auf das Setting bzw. Worldbuilding der bisherigen Bände aufbauen kann, sondern jedes Mal wieder von null startet.

Eine recht elegante Lösung für dieses Dilemma kann darin bestehen, eine Serie mit wechselnden Protagonisten zu planen. Hier ist die Konstante der Serie nicht der Protagonist, sondern das Setting bzw. die alles umspannende Rahmenhandlung.

Stellen Sie sich eine Romanserie vor, die sich während eines jahrzehntelangen Krieges zwischen zwei mächtigen Nationen abspielt. Eine solche Rahmenhandlung bietet Platz für Dutzende von Romanen mit den unterschiedlichsten Protagonisten: Soldaten, Spione, Diplomaten und ganz normale Menschen, deren Leben durch den Krieg ins Chaos gestürzt wurde.

Der Kniff ist, diese Geschichten nicht wie bei einem Mammut-Epos wie George R.R. Martins „Lied von Eis und Feuer“ zu miteinander verflochtenen Handlungssträngen innerhalb eines gewaltigen, mehrbändigen Epos zu machen, sondern in jedem Band eine komplette Geschichte zu erzählen, die den Verlauf des Krieges (also der Rahmenhandlung) verändert.

Es wäre dennoch ein Fehler, die Handlungen der einzelnen Bände völlig voneinander zu trennen. Vielen Lesern dürfte es schwer fallen, sich für einen neuen Roman zu erwärmen, der außer der Rahmenhandlung nichts mehr mit der gerade zu Ende gelesenen Geschichte zu tun hat.

Führen Sie stattdessen in jedem Band den Protagonisten des nächsten Bands bereits als Nebenfigur ein, die im Laufe der Handlung immer mehr an Bedeutung gewinnt und am Ende vielleicht sogar maßgeblich dazu beiträgt, dass Ihr „aktueller“ Protagonist sein Ziel erreicht.

Machen Sie diese Figur geheimnisvoll und interessant. Deuten Sie an, was für ein Potential die Figur hat und welche offenen Rechnungen es in ihrem Leben noch gibt. Wenn Sie dann ein weiteres Abenteuer aus Ihrer Serie mit diesem neuen Protagonisten ankündigen, werden wesentlich mehr Leser bereit sein, auch dem neuen Helden auf seinem Weg zu folgen.

Natürlich müssen Sie Ihren bisherigen Protagonisten nicht nach einem Band „entsorgen“ – aber Sie haben die absolute Freiheit. Ihr Protagonist kann am Ende des Romans sein persönliches Ziel erreichen und „glücklich bis ans Ende seiner Tage“ weiterleben, während der Leser seinem bisherigen Verbündeten zu neuen Ufern folgt – aber er kann auch sterben, indem er sich beispielsweise heldenhaft für das Überleben der Seinen opfert. Solange er am Ende die Fackel an den neuen Protagonisten weitergibt, der den Kampf nach seinem Tod weiterführen wird, werden die meisten Leser ein solches Ende akzeptieren.

Denken Sie beispielsweise an den Klassiker „Einer flog übers Kuckucksnest“: Zwar stirbt Murphy am Ende, doch der „Indianer“ schafft es, aus der Anstalt zu fliehen.

Natürlich können Sie Ihren Protagonisten auch zurückkehren lassen – entweder ein paar Bände später mit einem neuen Abenteuer oder als „Gaststar“ / Helfer in einer anderen Geschichte. Beides wird die Leser der früheren Bände freuen.

Denken Sie beispielsweise an die Scheibenwelt-Romane von Terry Pratchett: Auch hier gibt es Charaktere, die in unterschiedlichen Bänden wiederkehren – mal als Hauptcharakter, mal als Nebenfigur.

Ein positiver Nebeneffekt dieser Serienstruktur ist, dass Sie in den ersten Kapiteln eines neuen Bandes nicht so viel Vorgeschichte einflechten müssen, wie dies bei einer direkten Fortsetzung der Fall wäre, um neu hinzugekommene Leser „auf Stand zu bringen“. Kein langatmiges „Was bisher geschah“, sondern ein frischer Einstieg in ein neues Abenteuer, der auch neuen Lesern den Einstieg in die Serie erleichtert.

Während ein „Was bisher geschah“-Prolog neuen Lesern so viel Informationen über die Handlung der bisherigen Bände liefert, dass sie nur noch einen geringen Anreiz haben, sich diese auch noch zu holen, ist hier das Gegenteil der Fall. Neue und alte Leser starten quasi auf Augenhöhe in das neue Abenteuer – lediglich die Wirkung der Querverweise, die Sie gekonnt in die Handlung einstreuen, ist eine andere. Während der erfahrene Leser, der auch alle früheren Bände der Serie kennt, wissend nickt und sich an das damalige Abenteuer erinnert, wird der neu eingestiegene Leser neugierig gemacht. Das ist der richtige Platz für Fußnoten, mit denen Sie den Querverweis zu dem Band liefern, auf den sich die ansonsten rätselhafte Bemerkung bezieht. Mit etwas Glück macht dies den Neuleser so neugierig, dass er sich auch noch diesen Band bestellt.

Sie sehen: Der Verzicht auf einen festen Protagonisten kann Ihre Romane nicht nur noch spannender und abwechslungsreicher machen, sondern hält auch Ihnen als Autor alle kreativen Möglichkeiten offen.

Probieren Sie es einfach einmal aus – und wenn es vorerst nur als Gedankenspiel ist. Vielleicht stellen Sie dabei ja fest, dass dies auch für Sie der goldene Mittelweg zwischen klassischer Serie und unabhängigen Einzelromanen ist.


Tipp: Abonnieren Sie den kostenlosen WritersWorkshop Autorennewsletter und erhalten Sie alle neuen Beiträge direkt am Erscheinungstag ganz bequem per Mail.

Sollten Bände einer Romanserie für sich stehen oder aufeinander aufbauen?

Wenn man eine Romanserie plant, stellt sich einem immer die Frage, wie weit die einzelnen Bände aufeinander aufbauen sollten. Hier gibt es eine sehr große Bandbreite – von einer epischen, fortlaufenden Handlung bis hin zu Serien, bei denen jeder einzelne Band für sich steht und ohne jegliche Vorkenntnisse der Serie genossen werden kann.

Das Epos

Am einen Ende der Skala liegen jene Romanserien, die eine fortlaufende Handlung haben, welche erst am Ende des letzten Bandes abgeschlossen wird. Die einzelnen Romane einer solchen Serie enden meist mit einem Cliffhanger, der den Leser motivieren soll, sich direkt die Fortsetzung zu holen. Je nachdem, wie eng die einzelnen Bände zusammen hängen, handelt es sich im Extremfall um einen riesigen Roman, der an geeigneten Stellen gesplittet und so auf mehrere Bände aufgeteilt wurde. Ein Leser, der den ersten Band (oder die ersten Bände) der Serie nicht kennt, hat kaum eine Chance, mit einem späteren Band einzusteigen und noch in die Handlung hinein zu kommen.

Ein recht gutes Beispiel sind die Romane der Serie „Das Lied von Eis und Feuer“ von George R.R. Martin, die in den letzten Jahren durch die Serien-Verfilmung „Game of Thrones“ nochmals stark an Bekanntheit gewonnen hat. Wer als Leser versucht, mit einem der neueren Bände in die Handlung einzusteigen, dürfte große Probleme dabei bekommen, durch die komplexen Beziehungen zwischen den einzelnen Charakteren und Gruppierungen durchzusteigen.

Die fortlaufende Rahmenhandlung

Ein Mittelding sind jene Serien, bei denen die einzelnen Bände aus aufeinander aufbauenden Abenteuern bestehen, die den Helden wie die Stufen einer Treppe zur finalen, alles entscheidenden Konfrontation am Ende des letzten Bandes führen. In jedem Roman kann der Held zwar einen Teilerfolg verbuchen, aber dennoch ist sowohl ihm als auch dem Leser klar, dass er lediglich eine Schlacht, aber noch nicht den kompletten Krieg gewonnen hat.

Das wohl prominenteste Beispiel für eine solche Serie sind die Harry-Potter-Romane von J.K. Rowling. Jeder Band ist in sich abgeschlossen, baut dabei aber auf den Ereignissen der früheren Bände auf und führt Harry Potter immer näher zur unausweichlichen, finalen Konfrontation mit dem bösen Zauberer Voldemort.

Unabhängige Einzelbände gegen das Problem der Verfügbarkeit

Einzelne, voneinander unabhängige Romane einer Serie haben den Vorteil, dass sie in beliebiger Reihenfolge gelesen werden können. Neuen Lesern wird damit der Einstieg in die Serie erleichtert. Sie können mit einem beliebigen Band der Serie, der ihnen gerade ins Auge oder in die Hände fällt, in die Abenteuer des Protagonisten einsteigen, statt erst nach dem ersten Band der Serie suchen zu müssen, mit dem die Handlung beginnt.

Im stationären Buchhandel ist diese Problematik größer als im Online-Buchhandel. Solange es sich bei der Serie nicht um absolute Bestseller wie z.B. die Harry-Potter-Serie handelt, haben Buchläden meistens nicht alle Bände einer Serie, sondern lediglich die neuesten ein bis zwei Bände auf Lager. Ältere Bände müssen erst bestellt werden, was viele Spontankäufer bereits abschreckt.

Bei Online-Buchhändlern wie Amazon ist das Sortiment natürlich wesentlich größer. Hier gibt es nicht wie im stationären Buchhandel knappe Regalflächen, sondern alles, was sich regelmäßig verkauft, wird in mehr oder weniger großen Stückzahlen bevorratet und ist somit kurzfristig lieferbar. Wer also z.B. auf Band 5 einer Romanserie stößt, ist meist nur wenige Mausklicks vom ersten Band der Serie entfernt.

Auch die Problematik der Verfügbarkeit hat sich durch die Einführung von Print-on-Demand und eBooks entschärft. Es ist eine unerfreuliche, aber unbestreitbare Tatsache, dass sich eine Romanserie, deren Bände aufeinander aufbauen und in einer festen Reihenfolge gelesen werden müssen, nur so lange verkauft, wie auch die früheren Bände der Serie noch verfügbar sind. Ist also der erste Band einer zehnbändigen Serie nicht mehr lieferbar, wird die Serie kaum noch neue Leser finden – egal wie gut und spannend die späteren Bände sind.

Bereits bei Print-on-Demand gibt es das Problem einer vergriffenen Auflage nicht mehr, da schließlich jedes Buch erst dann gedruckt wird, wenn es vom Endkunden (also dem Leser) bestellt wird. Alle Bände einer Serie sind also so lange verfügbar, wie der Autor dies will.

Bei eBooks ist es sogar noch einfacher. Dadurch, dass diese immer „sofort lieferbar“ sind und unmittelbar nach Kauf elektronisch übermittelt werden, ist dies (jedenfalls in puncto Lieferzeit) für den Leser genauso praktisch wie eine direkt im Buchladen verfügbare Printausgabe.

Einzelne, voneinander relativ unabhängige Romane, die lediglich denselben Protagonisten und gegebenenfalls dasselbe Setting gemeinsam haben, locken den Leser nicht durch eine durchgängige Handlung zurück. Hier sagt sich der Leser am Ende des Romans nicht „Ich muss unbedingt wissen, wie es weiter geht“. Dafür ist der Leser allerdings hoffentlich so vom Protagonisten und dem Schreibstil des Autors begeistert, dass er unbedingt noch weitere Abenteuer desselben Helden lesen will.

Mir geht das so mit den „Scarecrow“-Romanen von Matthew Reilly. Die Romane haben zwar eine feste Reihenfolge mit Querverweisen zu den Handlungen früherer Bände, stellen aber in sich abgeschlossene Abenteuer dar. Kommt ein neuer Band raus, kann man davon ausgehen, dass ich mir diesen bereits am Erscheinungstag hole.

Statische Helden ohne jede Chance, noch besser und stärker zu werden

Völlig voneinander unabhängige Romane haben meist relativ statische Haupthelden und, abgesehen von einer Handvoll wichtiger und ebenso statischer Nebencharaktere, eine von Band zu Band wechselnde Besetzung.

Die meisten Beispiele für diese Art von Büchern stammen aus dem Krimi-Genre, das sich hierfür geradezu anbietet: Der Protagonist oder die Protagonistin übernimmt einen Kriminalfall (oder wird unfreiwillig in diesen verwickelt) und löst diesen bis zum Ende des Romans vollständig auf.

Es gibt üblicherweise keine offenen Enden, die in zukünftigen Bänden wieder aufgegriffen werden – abgesehen vielleicht vom häufig verwendeten Motiv der persönlichen Nemesis, des immer wiederkehrenden Erzfeindes. Bei Sherlock Holmes und Dr. Watson (zwei recht statischen Hauptfiguren) war dies Professor Moriarty, beim Roman- und Filmhelden James Bond speziell in den früheren Romanen und Filmen der Erzbösewicht Ernst Stavro Blofeld.

Ist der Antagonist eines solchen Romans zugleich die Nemesis des Helden, wird meist nur der Plan des Schurken vereitelt, während dieser selbst für weitere Bände aufgespart wird. Manchmal spendiert man dem Roman auch noch einen zweiten Schurken, der dann im aktuellen Band endgültig zur Strecke gebracht werden darf – oft den eigentlich aktiven Antagonisten, während der Erzfeind eher im Hintergrund bleibt, von wo aus er die Fäden zieht und seine finsteren Pläne schmiedet.

Nicht nur klassische Kriminalromane (man denke nur an die Miss-Marple-Romane und die Fälle von Hercule Poirot aus der Feder von Agatha Christie) funktionieren nach diesem Schema, sondern auch die meisten klassischen Krimiserien. Erst bei neueren Serien ist man dazu übergegangen, pro Folge zwar einen in sich abgeschlossenen Fall zu schildern, diese aber mit einem größeren Handlungsbogen zu verbinden, der sich meist über eine komplette Staffel der Serie zieht.

Der Nachteil solcher Einzelgeschichten ist, dass der Protagonist keine Chance hat, sich weiter zu entwickeln, zu wachsen, zu reifen und sich zu verändern. Egal was ihm im Verlauf eines Romans oder einer Serien-Folge an dramatischen und tragischen Ereignissen zustößt – keines dieser Ereignisse kann dauerhafte Auswirkungen auf ihn haben. Denn sonst wäre ja die Reihenfolge der einzelnen Abenteuer nicht mehr beliebig. Statische Charaktere altern nicht, sie ändern ihr Weltbild und ihren Charakter nicht – und egal was ihnen zustoßen mag, sie tragen keine bleibenden Narben oder Behinderungen davon.

Der goldene Mittelweg

Wenn man sich selbst die größtmögliche Freiheit lassen will und zugleich mit jedem weiteren Band neuen Lesern den Einstieg in die Serie erleichtern will, ist die „Stufe 2“ der beste Kompromiss: Dafür brauchen Sie einen charismatischen Helden, der die Leser mitreißen und auf seine Seite ziehen kann, und eine größere Rahmenhandlung, die dem Helden Platz für immer neue Abenteuer bietet.

Ein gutes Beispiel sind die Sharpe-Romane von Bernard Cornwell. Sie schildern die Abenteuer eines Scharfschützen-Offiziers während der Napoleonischen Kriege. Jeder Band ist ein in sich abgeschlossenes Kriegsabenteuer, doch sind diese durch die historischen Ereignisse und den Aufstieg Sharpes in eine feste Reihenfolge gebracht. Dennoch können neue Leser mit jeder beliebigen Geschichte einsteigen und entweder von dieser Stelle an weiter lesen oder sich nach und nach auch noch die früheren Abenteuer von Sharpe und seinen Kameraden zu Gemüte führen.

Dieses Format ist flexibler, als man auf den ersten Blick meinen sollte. Es ist nicht unbedingt erforderlich, die Geschichten in chronologischer Reihenfolge zu schreiben. So gibt es Autoren, die z.B. nach dem fünften Band die Lebensgeschichte ihres Helden fertig erzählt hatten, und dann, da ihre Leser unbedingt weitere Abenteuer lesen wollten, neue Geschichten nachschießen, die entweder vor den ursprünglichen Abenteuern spielten (Modell „Die Abenteuer des jungen Indiana Jones“) oder in den nicht näher erwähnten Jahren zwischen den bisherigen Bänden angesiedelt sind.

Wenn Sie die Abenteuer Ihres Helden nicht in chronologischer Reihenfolge schreiben, müssen Sie natürlich höllisch aufpassen, keine Kontinuitätsfehler einzubauen. Sie müssen einen genauen Zeitstrahl für alle Personen und alle wichtigen Ereignisse führen. Selbst wenn es Ihnen nicht auffällt, würden es garantiert einige Leser merken, wenn…

  • …Ihr Held in einem Roman eine Narbe hat, die ihm erst in einem zwei Jahre später spielenden Roman zugefügt wird
  • …in einem Roman eine Nebenfigur auftaucht, die eigentlich schon in einem zeitlich davor liegenden Band gestorben ist
  • …Ihrem Haupthelden plötzlich wichtige Informationen fehlen, die er zu diesem Zeitpunkt eigentlich bereits kennen sollte

Genauso sind Sie natürlich beim „Dazwischenkonstruieren“ neuer Geschichten starken Restriktionen unterworfen. So darf keine Figur sterben oder verkrüppelt werden, die sich in einem späteren Band noch bester Gesundheit erfreute. Das Ende Ihrer Geschichte muss zu der Richtung passen, in die sich das Leben der wichtigsten Charaktere laut ihrem fiktionalen Lebenslauf bis zum Beginn des chronologisch nächsten Bandes entwickeln müsste. Alles andere würde verständlicherweise Fragen beim Leser aufwerfen. Das sollten Sie darum, wenn überhaupt, nur ganz bewusst tun – und dann auch ankündigen, dass Sie diese Fragen im nächsten Band (den Sie erst noch schreiben müssen) beantworten werden.

Das mag jetzt ein wenig theoretisch klingen, darum mal ein kurzes Beispiel: In der fiktionalen Lebensgeschichte Ihres Helden gibt es noch eine Lücke von einem runden Jahr zwischen seinem 27. und seinem 28. Geburtstag. In dieser Zeit wollen Sie ihren neuen Roman ansiedeln. Der chronologisch nächste Roman, den Sie bereits vor ein paar Jahren veröffentlicht haben, beginnt damit, dass Ihr Held in Kapstadt einen Anruf von einem alten Freund bekommt. Ihr neuer Roman, der in Marokko und dem Sudan spielt, sollte also damit enden, dass Ihr Held plant, nach Südafrika zu gehen. Leser, die den eben erwähnten Band schon kennen, werden sehen, wie sich hier der Kreis schließt. Neue Leser, die sich nach dem Genuss Ihres neuen Romans den „chronologischen Nachfolgeband“ holen, werden es so empfinden, dass die Handlung hier lückenlos weiter geht.

Sie sehen schon: gerade bei solchen Konstruktionen, in denen neuere Bücher chronologisch vor älteren Büchern angesiedelt sind, sind Begriffe wie „der nächste Roman“ nicht mehr ganz eindeutig zu definieren.

Allein schon aus diesem Grund würde ich davon abraten, eine solche Romanreihe mit „Band 1“ bis „Band X“ durchzunummerieren. Stattdessen sollten Sie jedem Band einen eigenständigen Titel geben, der z.B. dadurch, dass er mit dem Namen des Haupthelden beginnt, den Seriencharakter der Bücher herausstreicht. Denken Sie in diesem Zusammenhang beispielsweise an die Harry-Potter-Romane: „Harry Potter und“ „…der Stein des Weisen“, „…die Kammer des Schreckens“, „…der Gefangene von Askaban“, „…der Feuerkelch“, „…der Orden des Phoenix“, „…der Halbblutprinz“ und „…die Heiligtümer des Todes“.

Auch wenn die Bände direkt aufeinander folgen und (abgesehen von den meist nicht besonders ausführlich beschriebenen Sommerferien) keinen Platz für einen dazwischen geschobenen Band bieten, hat J.K. Rowling darauf verzichtet, die Bände als „Harry Potter Band 1“ bis „Harry Potter Band 7“ durchzunummerieren.

Abgesehen davon, dass ausführlichere Titel hier klangvoller sind und eher das Interesse der Leser wecken, wird ein Neueinsteiger auch eher zu „Harry Potter und der Halbblutprinz“ greifen als zu „Harry Potter Band 6“. Die erste Version klingt nach einem eigenständigen Roman – die zweite nach einem Teil einer Serie, für dessen Verständnis man zuvor auch schon die Bände 1-5 gelesen haben sollte.

Ein zweiter und mindestens ebenso wichtiger Grund ist der, dass die Nummern der Bände nicht mehr stimmen, sobald Sie anfangen, weitere Abenteuer in die noch ausgelassenen Zeitfenster einzufügen. Wenn Ihr neuer Roman zwischen dem bisherigen Band 2 und Band 3 spielt, können Sie ihn schlecht zu „Band 3“ erklären und alle anderen Bände neu durchnummerieren, ohne Ihre Leser völlig zu verwirren. „Band 2 1/2“ liest sich auch nicht wirklich gut – das erinnert eher an das „Gleis 9 3/4“ von Harry Potter.

Stattdessen sollten Sie vorne in jedem Buch Ihrer Serie die komplette Chronologie aller bisher erschienenen Bände der Serie auflisten, damit Leser diese leichter einordnen und die Bände in der „richtigen“ Reihenfolge lesen können, wenn sie das wollen.

Wenn Sie von einem Band eine überarbeitete Neuauflage herausbringen, können Sie auch diese Chronologie anpassen und um die Bände ergänzen, die erst nach dem ursprünglichen Erscheinen dieses Bandes veröffentlicht wurden.

Und natürlich sollten Sie auf Ihrer Autorenhomepage auch eine komplette Auflistung aller Bände in chronologischer Reiehnfolge präsentieren – schön dekorativ mit den Covern der einzelnen Bände und selbstverständlich mit einem anklickbaren Bestell-Link zu Ihrem Lieblings-Online-Buchhändler, um es Ihren Lesern möglichst einfach zu machen, die Lücken in ihrer Buchsammlung zu füllen.

Falls Sie also darüber nachdenken, eine eigene Romanserie zu planen oder eine Fortsetzung (oder ein Prequel?) zu einem Ihrer bisherigen Romane zu veröffentlichen, sollten Sie sich diese Fragen in aller Ruhe durch den Kopf gehen lassen. Allein das kann schon dazu beitragen, Ihre Serie stärker und zukunftssicherer zu gestalten.


Tipp: Abonnieren Sie den kostenlosen WritersWorkshop Autorennewsletter und erhalten Sie alle neuen Beiträge direkt am Erscheinungstag ganz bequem per Mail.