Kennen Sie Kanban? Wenn Sie jetzt an die japanische Automobilindustrie denken, liegen Sie erstmal gar nicht so falsch. Denn Kanban (vom japanischen kan = Signal und ban = Karte, also „Signalkarte“) ist eine Technik, die ursprünglich in der Fertigung des japanischen Automobilherstellers Toyota eingeführt wurde.
Doch Kanban hat längst die Grenzen der Materialsteuerung in der Fertigung hinter sich gelassen. Als Kanban in der Software-Entwicklung eingeführt wurde (die in mancherlei Hinsicht gar nicht zu unterschiedlich zum Schreiben von Büchern ist), behielt man vom ursprünglichen Kanban fast nur noch den Namen bei.
Kanban in der Software-Entwicklung besteht aus einer Kanban-Tafel mit mehreren Spalten und farbigen Kanban-Karten mit Aufgaben, die sich von links nach rechts durch diese Spalten vorarbeiteten. So kann der Projektleiter jederzeit sehen, welche Abteilung/Gruppe gerade was in Bearbeitung hat, wo es sich staut und wo es eventuell nicht voran geht, weil vorhergehende Abteilungen noch nicht mit ihrer Arbeit fertig sind.
Den größten Vorschub erfuhr Kanban allerdings durch Jim Benson, der mit seinem „Personal Kanban“ die Kanban-Prinzipien aus der Software-Entwicklung für jedermann nutzbar machte.
Personal Kanban als besserer Ersatz für die ToDo-Liste
Bei Bensons „Personal Kanban“ hatte eine Kanban-Tafel in der Minimalkonfiguration nur noch drei Spalten: „zu erledigen“, „in Arbeit“ und „erledigt“. Neue Aufgaben starten in der Spalte „zu erledigen“, werden dann eine nach der anderen in „in Arbeit“ übernommen und nach ihrer Erledigung in die letzte Spalte „erledigt“ verschoben. Diese wird dann wiederum von Zeit zu Zeit bereinigt und die dort angekommenen Aufgabenkarten entsorgt.
Der Vorteil des „Personal Kanban“ gegenüber einer klassischen ToDo-Liste ist, dass der Arbeitsaufwand visualisiert wird und damit auch die Grenzen dessen deutlicher werden, was man sich aufbürden kann. Während möglichst immer nur eine Karte gleichzeitig „in Arbeit“ sein sollte, kann man die „zu erledigen“-Spalte seiner Kanban-Tafel so breit und hoch (oder so schmal und flach) gestalten, wie es für einen selbst sinnvoll ist: Wer Tag für Tag viele kleine Aufgaben zu bearbeiten hat, kann vielleicht mit 20-30 Karten in seiner „zu erledigen“-Spalte leben, doch wenn es sich um größere Aufgaben handelt, von denen jede zwischen ein paar Stunden und mehreren Tagen dauert, wird man die maximale Anzahl der Aufgaben kleiner halten wollen.

Personal Kanban für Blogger und Schriftsteller
Dieses Prinzip – wenngleich etwas komplexer – lässt sich wunderbar auch aufs Schreiben von Büchern oder aufs Bloggen übertragen.
Wenn Sie den Artikelnachschub für Ihr Blog über eine Kanban-Tafel steuern wollen, könnte diese folgende Spalten haben:
1) Ideen für Blogposts
2) Planung/Recherche
3) Schreiben
4) Überarbeitung
5) Veröffentlichung
Dabei können Sie die Spalten 2-5 jeweils noch in „aktiv“ und „erledigt“ splitten. Damit hätte Ihre Tafel dann neun Spalten:
1) Ideen für Blogposts
2) planen / recherchieren
3) vorbereitet
4) schreiben
5) fertig geschrieben
6) in Überarbeitung
7) überarbeitet
8) veröffentlichen
9) veröffentlicht
Von diesen acht Spalten sind nur die Spalten 2, 4 , 6 und 8, die ich in der Liste fett markiert habe, „aktive“ Spalten. Die anderen fünf Spalten sind Puffer-Spalten – sozusagen ein Abstellgleis.
Wenn Sie nun eine neue Idee für einen Blogpost haben, notieren Sie diese auf eine Karte, die in die Spalte „Ideen für Blogposts“ kommt. Sobald Sie eine dieser Ideen in Angriff nehmen, durchläuft diese der Reihe nach die Spalten 2-9. Nach jeder „aktiven“ Spalte (planen/recherchieren, schreiben, überarbeiten und veröffentlichen) kommt eine „Pufferspalte“ in der die Karten gesammelt werden, die bereit für den nächsten Schritt sind.
Auch hier greift das Kanban-Prinzip, nach dem man sich holt, was man braucht, und Vorräte auffüllt, die zur Neige gehen: Wenn Sie nächsten Samstag einen neuen Blogpost veröffentlichen wollen, nehmen Sie einen aus der Spalte 7 („überarbeitet“), planen ihn in Ihrem Blog ein (aktive Spalte 8) und verschieben ihn in die Endstation („veröffentlicht“).
Wenn Sie nun feststellen, dass die für die nächste Woche keinen weiteren Blogpost mehr in der Spalte „überarbeitet“ haben, holen Sie sich einen der bereits fertig geschriebenen, aber noch nicht überarbeiteten Blogposts aus Spalte 5 und gehen als nächstes daran, diesen zu überarbeiten.
Der Vorteil einer solchen Kanban-Tafel ist, dass Sie auf einen Blick sehen, woran Sie vorrangig arbeiten sollten. Wenn Ihnen in einer „Pufferspalte“ der Vorrat auszugehen droht, sollten Sie diesen erst einmal aufstocken. Da dies natürlich den Bestand der davorliegenden Pufferspalte reduziert, gibt das manchmal eine Kettenreaktion bzw. einen Domino-Effekt.
Sie sind jedoch mit dieser Methode immer auf der sicheren Seite und können bei Bedarf jederzeit einen neuen, fertigen Blogpost aus dem Ärmel schütteln.
Ich verwende eine solche Kanban-Tafel auch für das WritersWorkshop E-Zine. Hier kommt noch eine weitere Feinheit zum Tragen, die ich bisher nicht erwähnt hatte: die Abwechslung. Da ich im E-Zine verschiedene Themenbereiche (Schreiben von Romanen, Buchmarkt und Buchmarketing, Software für Schriftsteller etc.) habe, verwende ich für diese Kategorien unterschiedlichfarbige Kanban-Karten. Auch das verbessert die Übersichtlichkeit – denn schließlich wäre es nicht sehr ausgewogen, wenn ich für die nächste Ausgabe des E-Zines zwar drei Software-Tipps, aber keinen einzigen Artikel übers kreative Schreiben oder das Buchmarketing hätte.
Wenn auch Sie in Ihrem Blog unterschiedliche Schwerpunkte behandeln, die Sie möglichst ausgewogen präsentieren wollen, können Sie sich auch eine solche Farbcodierung zunutze machen.
Kanban für Buchautoren
Doch das Kanban-Prinzip lässt sich beileibe nicht nur für Blogger anwenden, sondern auch für Buchautoren. Natürlich kann man das System nicht einfach 1:1 übertragen – eine Karte pro Buch wäre weder hilfreich noch übersichtlich, zumal die meisten Autoren nur 1-2 Buchprojekte gleichzeitig in Arbeit haben.
Stattdessen legen Sie für jedes Buchprojekt eine separate Kanban-Tafel an.
Jede Szene (oder jeder Abschnitt, wenn Sie Sachbücher schreiben) bekommt eine eigene Karte. Um vor lauter einzelnen Karten nicht die Struktur Ihres Buchs aus den Augen zu verlieren, können Sie auf jeder Karte die laufende Nummer der jeweiligen Szene bzw. des Abschnitts anbringen. So können Sie diese in jeder Puffer-Spalte in der richtigen Reihenfolge sortieren und/oder gruppieren.
Die Spalten der Kanban-Tafel sind ähnlich wie die für Blogger:
1) Idee
2) planen / recherchieren
3) vorbereitet
4) schreiben
5) fertig geschrieben
6) in Überarbeitung
7) überarbeitet
Je nachdem, mit wie vielen Revisionsdurchläufen Sie arbeiten, können natürlich noch weitere Spalten dazu kommen. Die letzte Spalte enthält dabei die Szenen/Abschnitte, die bereits so gut überarbeitet sind, dass sie als veröffentlichungsreif gelten können.
Mit der Kanban-Tafel sehen Sie jederzeit auf einen Blick, wie weit Sie bereits mit Ihrem Buchprojekt vorangekommen sind und wie viel Arbeit bis zum kompletten, veröffentlichungsreifen Manuskript noch vor Ihnen liegt.
Die wahren Vorteile des Kanban-Systems lernt man aber erst während der praktischen Anwendung so richtig zu schätzen:
- Mit der Kanban-Tafel müssen Sie Ihr Buch nicht chronologisch schreiben oder von Seite 1-X überarbeiten, sondern können nach Lust, Laune und Tagesform zwischen den einzelnen Szenen bzw. Abschnitten hin und her springen. Eine Gefahr gibt es hierbei natürlich: Wenn Sie Ihr Buch nicht in der Reihenfolge schreiben bzw. überarbeiten, in der es später gelesen wird, müssen Sie am Ende noch einmal das komplette Manuskript von A-Z durchgehen, um sicherzustellen, dass die Reihenfolge stimmt und dass die Übergänge zwischen den Szenen / Absätzen fließend und nicht abgehackt sind.
- Man ist nicht zu jeder Tageszeit gleichermaßen produktiv. Ich schreibe gerne morgens, wenn ich noch geistig frisch und gut erholt bin. Planung und Recherche erledige ich am liebsten am späten Nachmittag, während ich mich abends in erster Linie mit der Überarbeitung von Manuskripten beschäftige.
Egal, ob ich zu einem bestimmten Zeitpunkt am liebsten etwas schreiben, planen oder überarbeiten möchte – durch die Kanban-Tafel kann ich mir auf einen Blick das passende Kapitel meines aktuellen Buchprojekts herauspicken.
Kanban – besser mit Papier und Stift oder am PC?
Auch wenn das ursprüngliche System auf ein Whiteboard oder eine Pinwand ausgelegt ist, gibt es mittlerweile eine ganze Reihe von Kanban-Lösungen für PCs und mobile Geräte (also Tablets und Smartphones).
Gerade wenn man als Autor eine separate Kanban-Tafel für jedes Buchprojekt anlegen will, ist schon aus Platzgründen eine PC-Lösung einfacher und komfortabler, als mehrere Whiteboards / Pinwände aufzuhängen.
Die meisten Kanban-Softwarelösungen sind cloudbasiert, laufen also nur online im Browser oder als App. Das liegt einerseits daran, dass die Programme oft auf die Bedürfnisse von Firmen für teambasiertes Arbeiten ausgelegt sind und außerdem, sobald man mehr als die Minimalkonfiguration nutzen will, monatliche Nutzungsgebühren fällig werden. Reine desktopbasierte Kanban-Systeme gibt es kaum.
Mein absoluter Favorit unter den Kanban-Systemen ist Trello. Der große Vorteil von Trello ist, dass es dauerhaft kostenlos ist – und das nicht nur in einer stark abgespeckten MInimalkonfiguration, sondern mit dem vollen Funktionsumfang:
- beliebig viele Kanban-Tafeln, die man sogar in Gruppen organisieren kann
- die Spalten der Kanban-Tafeln lassen sich beliebig anpassen und ausbauen
- beliebig viele Kanban-Karten in unterschiedlichen Farben
- Kanban-Karten können Texte, Bilder, Checklisten, Hyperlinks und sogar Dateianhänge enthalten
Es gibt zwar einen „Bezahltarif“, doch dessen Features wie mehr Hintergrundgrafiken oder besonders große Dateianhänge braucht man nicht wirklich – und schon gar nicht für unsere Zwecke.
Ein weiterer großer Vorteil von Trello ist, dass es auch sehr gute Trello-Apps für Android und iOS gibt. Sie könen also auch vom Tablet und sogar vom Smartphone aus auf Ihre online gespeicherten Kanban-Tafeln zugreifen und diese bearbeiten.
Probieren Sie es einfach einmal aus. Vielleicht finden Sie Trello und den Kanban-Ansatz ja genauso praktisch wie ich.
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