Das Schreiben von Büchern ist nichts für ungeduldige Menschen. Autoren, die sich in erster Linie als Blogger oder als Kurzgeschichten-Autoren sehen, können ihre Projekte auf relativ kurzfristiger Basis betrachten: Einen guten Blogpost hat man inklusive Recherche, Planung und Überarbeitung innerhalb von ein paar Stunden geschrieben und veröffentlicht, und auch eine Kurzgeschichte kann man meist innerhalb von 1-2 Wochen fertigstellen.
Doch ein Roman oder ein Sachbuch ist schon eine ganz andere Sache. Je nachdem, wie viel (oder wie wenig) Zeit man pro Woche für die Arbeit an seinem Buch einplanen kann, kann ein solches Projekt durchaus ein Jahr oder noch länger dauern. Und da braucht man schon einen langen Atem, damit einem unterwegs nicht die Puste ausgeht.
Wer das Schreiben als reines kreatives Hobby, ähnlich wie Töpfern oder Malen, betrachtet, ist hier im Vorteil – schließlich steht für ihn der Prozess des Schreibens im Mittelpunkt, nicht das fertige Buch oder gar dessen Veröffentlichung bzw. Vermarktung.
Doch wer das Schreiben zumindest semiprofessionell betreiben will, braucht einen Plan, der ihn auf Kurs hält. Das Problem dabei ist, dass wir eine solche Planung meist auf einer viel zu niedrigen Ebene ansetzen. Wir planen unsere Arbeit auf Tages- oder Wochenebene, unsere Finanzen auf Monatsebene und größere Projekte oder Ziele maximal auf Jahresebene.
Doch für die Planung unserer kreativen Tätigkeit ist ein Jahr ein viel zu kurzer Horizont – jedenfalls, wenn man realistisch bleibt. Die meisten Menschen überschätzen deutlich, was sie innerhalb eines Jahres schaffen und erreichen können – aber zugleich unterschätzen sie, was sie in fünf oder zehn Jahren schaffen können.
Vergessen wir mal die zahlreichen Ratgeber und Kurse, die ambitionierten und etwas blauäugigen Autoren mit Versprechungen locken, wie man ein ganzes Buch innerhalb weniger Wochen schreiben und veröffentlichen kann. Hastig heruntergeschriebene und übereilt veröffentlichte Geschichten sind nicht nur eine Verschwendung guter Ideen, sondern schaden dem eigenen Ruf als Autor eher, als sie einem nützen. Als produktiver Autor mit einem hohen Output zu gelten ist eine feine Sache – aber nur, wenn auch die Qualität der Bücher stimmt.
Der jährliche NaNoWriMo ist eine andere Sache: Zwar schreibt man auch hier einen (relativ kurzen) Roman in nur einem Monat, doch handelt es sich hier definitiv nur um eine Rohfassung. Die meisten erfolgreichen NaNoWriMo-Autoren planen ihre Handlung schon vorher und stecken später noch jede Menge Arbeit in die Überarbeitung ihres Romans, bevor Sie diesen als veröffentlichungsreif erachten.
Fakt ist, dass man als Autor mit einem normalen Vollzeit-Job (und dazu zähle ich auch den ‚Beruf‘ Hausfrau und Mutter) nur mit guter Planung und eiserner Arbeitsmoral einen kompletten Roman von der ersten Idee über Rohfassung und Revision bis hin zur Veröffentlichung innerhalb eines einzigen Jahres durchziehen kann.
Wenn jemand wie Nora Roberts bis zu acht Bücher in einem einzigen Jahr veröffentlicht, liegt das weit außerhalb dessen, was ein ’normaler‘ Autor schaffen kann. Nora Roberts hat nicht nur jahrzehntelange Erfahrung und Routine (die als Nebenwirkung dazu führen, dass ihre Romane immer mehr nach ‚Schema F‘ ausfallen), sondern auch den kompletten Tag Zeit zum Schreiben. Wo sie täglich 8-10 Stunden an ihren Romanprojekten arbeiten kann, haben wir meist nicht mehr als 1-2 Stunden pro Tag zur Verfügung.
Nein, ein Roman pro Jahr ist für einen Schriftsteller mit einem Vollzeit-Brotjob ein engagiertes, aber noch realistisches Ziel. Aber was ist das schon? Die allerwenigsten Autoren schaffen es, mit einem einzigen Roman bekannt und erfolgreich zu werden. Je mehr Bücher man als Autor am Markt hat, desto größer ist die Chance, von neuen Lesern entdeckt zu werden – und desto mehr Bücher kann jeder dieser neuen Leser von uns kaufen, wenn das erste Buch ihm gefallen hat.
Das ist der Punkt, an dem wir mit unserer mittel- und langfristigen Planung ansetzen sollten: Wo wollen Sie als Schriftsteller in zehn Jahren stehen?
Die meisten Menschen schrecken davor zurück, in derart langen Intervallen zu planen. Zehn Jahre sind noch so lange hin – und wie alt bin ich dann eigentlich? Aber das Schreiben von Romanen ist nun einmal kein Hundert-Meter-Sprint, sondern ein Marathon-Lauf.
Wenn Ihnen zehn Jahre zu lang erscheinen, denken Sie an die Erfolgsautorin J.K. Rowling. Wie lang, schätzen Sie, hat J.K. Rowling für die Harry-Potter-Saga gebraucht, die sie weltbekannt und steinreich gemacht hat? Fast siebzehn (!) Jahre. Rowling erfand die Figur des Harry Potter bereits 1990, stellte den siebten und letzten Band der Saga aber erst 2007 fertig – und das, obwohl sie bereits seit dem dritten Buch als Vollzeit-Autorin an ihren Romanen arbeitete.
Oder denken Sie an George R. R. Martin mit seiner Fantasy-Saga „Das Lied von Eis und Feuer“ (in Deutschland besser bekannt unter dem Titel der Serien-Verfilmung „Game of Thrones“): Martin schreibt bereits seit zwanzig Jahren an seiner Saga und hat dennoch erst fünf der anvisierten sieben Mammut-Bände fertiggestellt.
Erscheinen Ihnen jetzt zehn Jahre immer noch so lang? Überlegen Sie, was Sie in dieser Zeit schaffen können, wenn Sie ’nur‘ einen Roman pro Jahr veröffentlichen können. Zehn Jahre = zehn Bücher mit Ihrem Namen. Aber welche zehn Bücher sollen das sein?
Auch J.K. Rowling nahm sich die Zeit, erst alle Bücher ihrer Harry-Potter-Serie durchzuplanen, bevor sie mit dem Schreiben des ersten Bandes begann. Nur so konnte sie sicherstellen, dass alle Handlungselemente der einzelnen Bände tatsächlich wie gut geölte Zahnräder ineinander greifen.
Nehmen auch Sie sich die Zeit, strategisch zu planen, welche Bücher Sie in den nächsten zehn Jahren veröffentlichen wollen, um ein konsistentes Portfolio aufzubauen. Wenn Sie keine Serie, sondern voneinander unabhängige Einzelromane schreiben, muss diese Planung natürlich noch keine detaillierten Handlungsentwürfe enthalten, sondern lediglich die Richtung festlegen: In welchem Genre schreiben Sie und was sind die Punkte, durch die sich Ihre Romane auszeichnen / von den Romanen anderer Autoren unterscheiden?
Diese Positionierung ist wichtig, wenn Sie auf lange Sicht Erfolg haben möchten. Wenn Sie (womöglich sogar unter unterschiedlichen Pseudonymen) zwischen mehreren Genres hin und her wechseln, kann das zwar abwechslungsreich sein und eine Menge Spaß machen – aber wenn Sie sich kommerziellen Erfolg und eine große Leserschaft wünschen, bringt Sie das dem Ziel nicht wirklich näher.
Überlegen Sie, wie sich andere Autoren positioniert haben: Dan Brown schreibt Verschwörungs-Thriller mit historischem Hintergrund und kirchlichen/religiösen Bezügen. Wer ein Buch von Dan Brown zur Hand nimmt, weiß, was ihn erwartet – und das bringt begeisterte Leser seiner bisherigen Bestseller dazu, auch zukünftige Abenteuer von Professor Robert Langdon zu kaufen.
Nehmen Sie sich daher die Zeit, Ihre Wunsch-Positionierung zu finden. Nicht nur hinsichtlich des Genres, sondern auch der Elemente, die Ihre Bücher ausmachen. Was lieben Sie besonders an Romanen? Ist es eine bestimmte Art von Helden? Eine bestimmte Art von Konflikten und Herausforderungen?
Ihre Positionierung kann alles enthalten – eine bestimmte Art von Romanwelt (wie die Scheibenwelt bei den Romanen von Terry Pratchett), eine besonderen Schreibstil (wie die humorvolle Art von Terry Pratchett oder Douglas Adams) oder bestimmte Konflikte (ob Liebes-Drama, Verschwörungs-Thriller oder dystopische Science-Fiction).
Das ist nichts, was man übers Knie brechen sollte. Nehmen Sie sich ruhig einige Wochen Zeit, um eine Position zu finden, die Ihnen wirklich gut gefällt und die Ihnen genügend kreative Freiheit lässt – und natürlich eine Positionierung innerhalb der zahlreichen Roman-Genres, von der Sie wissen, dass es für diese Art von Romanen genügend Leser gibt.
Sobald Sie Ihre Position definiert und ein Ziel für die nächsten zehn Jahre festgelegt haben (z.B. „zehn Romane im Genre […] veröffentlichen“, „drei Trilogien im Genre […] veröffentlichen“ oder „zehn einzelne Romane rund um die Hauptfigur […] veröffentlichen“) haben Sie etwas, auf das Sie fokussiert hin arbeiten können.
Das ist nicht nur extrem motivierend, sondern kann auch die eigene Produktivität deutlich steigern. Denn nun, wo das langfristige Ziel definiert und in weiter Entfernung als winziger Punkt am Horizont sichtbar ist, können Sie Ihre Arbeitszeit noch viel freier als bisher zwischen unterschiedlichen Projekten aufteilen: Während Sie an Ihrem aktuellen Roman schreiben, können Sie ungenutzte Pausen abseits des PCs nutzen, um schon die Handlungen für die nächsten paar Romane vorzubereiten und immer weiter auszufeilen. Da einem erfahrungsgemäß immer mehr Ideen kommen (und zwar deutlich schneller, als man diese umsetzen kann), können Sie sich stets die besten und ausgereiftesten dieser Ideen aussuchen, wenn Sie wieder mal ein Buch fertiggestellt haben und an das nächste gehen wollen.
Solange Sie am Ball bleiben und Woche für Woche fokussiert an Ihrem Plan arbeiten, haben Sie alle Trümpfe in der Hand und können davon ausgehen, dass Sie Ihr Zehn-Jahres-Ziel tatsächlich erreichen werden.
Wichtig ist natürlich, dass Sie sich nur Ziele setzen, deren Erreichung tatsächlich in Ihrer Macht steht. Sie können sich beispielsweise vornehmen, im Laufe der nächsten zehn Jahre zehn gut konstruierte und spannende Fantasy-Romane zu schreiben. Ob Sie das schaffen, liegt allein in Ihrer Hand. Sie können planen, was Sie für die Vermarktung Ihrer Bücher tun wollen. Aber Sie können nicht planen, dass Sie einen Bestseller landen oder dass Sie in zehn Jahren vom Schreiben leben können. Das sind vielleicht die heimlichen Wünsche im Hintergrund, die Sie motivieren, und je besser Ihre Romane werden und je effektiver und effizienter Sie Ihre Romane vermarkten, desto größer werden die Chancen, dass sich diese Wünsche vielleicht sogar erfüllen – aber als Ziel ist so etwas denkbar ungeeignet: Was ist, wenn Sie in zehn Jahren die geplanten zehn Bücher geschrieben und veröffentlicht haben und zwar begeisterte Rezensionen zahlreicher Leser vorweisen können, aber der kommerzielle Erfolg der Bücher Ihnen dennoch ’nur‘ ein paar hundert Euro im Monat beschert? Haben Sie dann Ihr Ziel etwa nicht erreicht?
Sobald Ihr Ziel nicht mehr ausschließlich von Ihnen abhängig ist, sondern auch von anderen Personen oder gar von unwägbaren Zufällen und zukünftigen Entwicklungen, bringen Sie eine Unsicherheit ins Spiel, die auf Dauer extrem demotivierend ist.
Sorgen Sie also mit Ihrer Zielsetzung dafür, dass Sie nicht verlieren können, solange Sie konsequent und fokussiert am Ball bleiben. Dazu brechen Sie Ihr Zehn-Jahres-Ziel in kleinere Häppchen herunter – zum Beispiel ein neues Buch pro Jahr, damit Sie in zehn Jahren die geplanten drei Fantasy-Trilogien fertig geschrieben und veröffentlicht haben.
Diesen Jahresplan können Sie dann weiter herunterbrechen: drei Monate für die Planung, Recherche und Vorbereitung, drei Monate für das Schreiben der Rohfassung, drei Monate für die Revision und die letzten drei Monate für die Testleserphase, den Feinschliff und schließlich die Veröffentlichung.
Gehen Sie Stufe für Stufe tiefer, bis Sie schließlich einen exakten Plan für jede einzelne Woche haben – zum Beispiel „mindestens 7.500 Wörter pro Woche schreiben, um innerhalb von 12 Wochen die Rohfassung mit ca. 90.000 Wörtern fertigzustellen“.
Diese Kombination aus einem langfristigen Ziel und einer ganz konkreten, kurzfristigen Planung sorgt dafür, dass Sie jederzeit wissen, dass Sie in die richtige Richtung unterwegs sind, und dass Sie Ihr Ziel in der geplanten Zeit erreichen werden, solange Sie nur Woche für Woche Ihr geplantes Arbeitspensum schaffen.
Es ist wie in der Geschichte, in der ein Wanderer den griechischen Philosophen Sokrates fragte: „Wie komme ich am schnellsten zum Olymp?“ Sokrates lächelte und antwortete: „Indem du sicher stellst, dass jeder deiner Schritte dich in die richtige Richtung führt.“
Wenn auch Sie sicherstellen wollen, dass jeder Ihrer Schritte als Autor Sie in die richtige Richtung führt, sollten Sie sich also rechtzeitig Gedanken darüber machen, wo Sie als Schriftsteller in zehn Jahren stehen wollen. Glauben Sie mir: Es lohnt sich.